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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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saß mit ausgestreckten Beinen ein Mann. Träge griff er nach den beiden Schriftstücken, die der Polizist ihm vorlegte. »Und wo soll ich die beiden unterbringen?«, fragte er, während er zwei große Kreuze auf die Papiere malte.
    »Das ist deine Sache, Walter«, sagte der Polizist kurz und ging.
    Willy weinte hemmungslos, Richard stand ruhig und ungerührt da. Der Schock ließ allmählich nach, und er konnte wieder fühlen und denken. Im Grunde war er nicht überrascht. Mit Annemarie Latour hatte das Verhängnis begonnen, mit Ceely Trevillian nahm es seinen Lauf. Was wurde ihm vorgeworfen? Wann würde er es erfahren? Gewiss, er hatte die Uhr und den Schuldschein Ceelys, doch er hatte dem Mann in der Clifton Green Lane gesagt, Ceely würde seine Uhr zurückbekommen, und er hatte den Schuldschein nicht auf Ceelys Bank eingelöst. Warum hatte er sich nicht besser überlegt, was er tat?
    Das Gefängnis war überfüllt, und das würde ihm helfen, freizukommen.
Die praktisch denkende Richterschaft von Bristol war inzwischen gegen Zahlung einer Extrasumme zu einem Vergleich mit Gefangenen bereit. Richard würde dann zwar sein Leben lang Schulden haben, die er nur zurückzahlen konnte, wenn ein weiterer Krieg den Bedarf an Waffen erhöhte, doch er wusste, dass seine Familie ihn nicht im Stich lassen würde.
    »Brot kostet einen Penny täglich bis zur Verhandlung«, sagte der Gefängnisaufseher, der Walter hieß. »Wenn du verurteilt wirst, erhöht sich der Betrag auf zwei Pennys.«
    »Ich soll wohl verhungern«, entfuhr es Richard.
    Der Aufseher kam hinter seinem Schreibtisch hervor und schlug Richard so heftig ins Gesicht, dass seine Lippe aufplatzte. »Keine frechen Bemerkungen, Morgan! Hier drinnen wird nach meinen Regeln gelebt und gestorben.« Er sah zur Tür. »Bewegt euch, ihr Trantüten!«
    Zwei Männer mit Knüppeln stürmten ins Zimmer.
    »Legt sie in Ketten!« Walter rieb sich die Hand.
    Richard stillte das Blut mit seiner Hemdmanschette und folgte dem heulenden Willy über den Korridor in den gegenüberliegenden Raum, der an eine Sattlerei erinnerte, nur dass an den Wänden statt Lederriemen Eisenketten hingen.
    Im Bristol Newgate galten Fußeisen als ausreichend. Ein zerlumpter Kerl, der für diese Gerätschaften des Elends zuständig war, legte Richard die Fesseln an. Die zwei Zoll breiten Eisen um seine Knöchel waren nicht vernietet, sondern mit Schlössern versehen und durch eine zwei Fuß lange Kette miteinander verbunden, sodass Richard zwar gehen, aber keine großen Schritte machen oder gar rennen konnte. Willy geriet in Panik und versuchte sich freizukämpfen. Sofort wurde er mit Knüppeln zu Boden geschlagen. Richard, dessen geplatzte Lippe immer noch blutete, sah stumm zu. Er hatte sich nach seiner Bemerkung zum Gefängnisaufseher geschworen, nie wieder jemanden zur Gewalt zu provozieren. Er fühlte sich an die Tage in Mr Colstons Schule erinnert - schweigend Platz nehmen, schweigend aufstehen, schweigend tun, was einem befohlen wurde, keine Aufmerksamkeit erregen.

    Am Ende des Korridors kam ein zweites Gittertor. Ein Wärter öffnete es mit einem riesigen Schlüssel, dann wurden die beiden neuen Gefangenen Morgan und Insell in die »Hölle« dahinter gestoßen. Die »Hölle« war ein großer Raum, dessen Steinwände unaufhörlich Feuchtigkeit ausschwitzten. An vielen Stellen hatten sich lange Tropfsteine gebildet, die schwarz waren vom Ruß der Fabriken am Ufer der Froom. Möbel gab es keine, der geflieste Boden starrte vor jahrzehntealtem Dreck. Die Gefangenen, die den Raum bevölkerten, waren ausschließlich männlich und alle mit Fußeisen gefesselt. Die meisten saßen mit ausgestreckten Beinen auf dem Boden. Einige schlurften ziellos herum, zu entkräftet, um die mit Eisen beschwerten Füße über die Beine eines Leidensgenossen zu heben, der apathisch sitzen blieb, als hätte er den Schlag der Kette nicht gespürt. Wer aus der Gosse von Bristol kam, kannte den Gestank nach Fäulnis und Kot. Mangels Belüftung stank es hier allerdings noch viel schlimmer.
    Nur an einer Türöffnung am anderen Ende des Raumes herrschte rege Betriebsamkeit. Richard hatte das Bristol Newgate zwar noch nie von innen gesehen, aber er vermutete, dass dahinter der Schankraum des Gefängnisses lag. Wer über das nötige Kleingeld verfügte, bekam dort Rum, Gin oder Bier. Bemerkungen von Dick und Vetter James, dem Apotheker, hatten Richard eine Vorstellung von den Zuständen im Newgate vermittelt. Er hatte sich

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