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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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deiner Verhandlung den Vorsitz führt. Er wird dir zwar eine fürchterliche Moralpredigt über die Versuchungen der Lilith halten, doch es fehlt an Beweisen. Alles hängt davon ab, was der Richter seinen Geschworenen rät. Und dieser Ceely Trevillian ist doch eine verächtliche Kreatur - die Geschworenen werden ihn sofort durchschauen und auslachen.«
    Die beiden Morgans blieben nicht lange, und wenig später war Richard heilfroh darüber. Die Anspannung und das Dünnbier hatten eine fatale Wirkung auf seine Gedärme. Er musste sich mit heruntergelassenen
Hosen auf eine verdreckte Kloschüssel setzen, vor aller Augen, auch wenn das niemanden außer ihn selbst kümmerte. Es war auch kein Lappen da, den er zum Abwischen benutzen und anschließend in einen Waschzuber mit Seifenwasser hätte werfen können. Verschmiert wie er war, musste er aufstehen und die Unterhosen hochziehen. Mit geschlossenen Augen kämpfte er gegen die tiefste Scham, die er je empfunden hatte. Von da an roch er sich selbst stärker als den Gestank seiner Umgebung.
    Bei Einbruch der Dunkelheit wurden die Gefangenen von der Gemeinschaftszelle in den Männerschlafsaal verlegt, zu dem eine Treppe hinaufführte. Die Pritschen in dem ebenfalls riesigen Raum reichten längst nicht für alle Insassen. Einige waren mit Kranken belegt, die offenbar den ganzen Tag dort zugebracht hatten. Sie wanden sich in Fieberkrämpfen oder bewegten sich überhaupt nicht mehr. Da Richard und Willy noch neu und deshalb schnell waren, ergatterten sie zwei freie Pritschen. Es gab keine Matratzen, keine Leintücher, keine Kissen und keine Decken, und überall klebten die angetrockneten Spuren von Durchfall und Erbrochenem.
    Hier zu schlafen schien unmöglich. Es war eiskalt und feucht, und Richard hatte nur seinen Mantel zum Zudecken. Willy war vom Weinen so erschöpft, dass ihn nicht einmal die Schrecken des Bristol Newgate wach halten konnten. Richard dankte einem mitleidlosen Gott für diese kleine Gnade. Er lag da und lauschte auf das Schnarchen und Stöhnen, ein gelegentliches trockenes Husten, das Würgen von jemandem, der sich erbrach, und das herzzerreißende Weinen eines kleinen Jungen. Nicht alle Gefangenen waren Erwachsene. Richard hatte etwa zwanzig Jungen gezählt, die zwischen sieben und dreizehn Jahre alt sein mochten. Keins dieser Kinder erschien ihm besonders verdorben oder verbrecherisch veranlagt, auch wenn über die Hälfte von ihnen betrunken waren. Sie hatten irgendwo einen Becher Gin oder ein Taschentuch geklaut, und das zornige Opfer hatte sie angezeigt. Im Cooper’s Arms kam es nie so weit, weil Dick es schlicht nicht zuließ. Wenn dort ein Kind von der Straße hereinkam und einem vor sich hin träumenden Gast einen Becher Rum vor der Nase wegstahl, konnte Dick
die Gemüter immer beschwichtigen, indem er den Bengel zur Tür hinauswarf und dem Geschädigten einen Rum spendierte. Außerdem kam so etwas höchstens ein- oder zweimal im Jahr vor. In der Broad Street wurden gewöhnlich nur Brieftaschen geklaut oder Verleumdungen eingefädelt.
    Im Grunde hatten Dick und Vetter James eine gute Nachricht überbracht. Senhor Habitas war ein unverhoffter Verbündeter - gewiss machte er sich immer noch Vorwürfe, weil er es gewesen war, der Richard Thomas Latimer vorgestellt hatte. Der Arme! Was konnte er dafür? Solche Dinge passieren, dachte Richard schläfrig. Er schloss die Augen und fiel sofort in einen traumlosen Schlaf.
     
    Am späten Nachmittag des folgenden Tages erschien Dick allein. Über der Schulter trug er einen Beutel mit Essen und Dünnbier.
    »Jim ist immer noch in der Kanzlei von Vetter Henry«, erklärte er. Er hockte sich dicht neben Richard auf den Boden, damit kein anderer außer dem gespannt lauschenden Willy ihn hören konnte.
    »Es ist anders gekommen als erwartet«, sagte Richard ausdruckslos.
    »Ja.« Dick ballte die Fäuste und biss die Zähne zusammen. »Dein Prozess wird nicht in Bristol stattfinden, Richard. Ceely Trevillian hat seine Klage bei den Behörden von Gloucester eingereicht, mit der Begründung, die Straftat sei in Clifton begangen worden, also außerhalb Bristols. Du bist nur vorübergehend in Newgate in Haft - bis die Klage offiziell angenommen ist und die Zeugenaussagen vorliegen, was immer das bedeutet.« Er gestikulierte aufgebracht mit den Händen. »Mir dröhnt der Kopf vor juristischen Phrasen! Ich verstehe sie nicht, habe sie nie verstanden und werde sie auch nie verstehen!«
    Richard lehnte den Kopf an die

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