Insel des Sturms
schlagenden weißen Bällchen herschoss, nur, um Augenblicke später ohne Beute wieder zu erscheinen. Mit ihrer heraushängenden Zunge wirkte Betty etwas verlegen, weil sie sich abermals zur Jagd hatte verlocken lassen.
Nach fünf Minuten Beobachtung, wie der Welpe um die ältere Freundin herumwuselte, über die eigenen Pfoten stolperte und vor lauter jungem Hundeglück jaulte, hellte sich Judes Stimmung auf.
Als sie schließlich den Friedhof erreichte, war sie regelrecht besänftigt und ging, wie sie es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, neben dem Grab in die Hocke, um Maude zu berichten, was sich seit ihrem letzten Besuch an Neuigkeiten ereignet hatte.
»Gestern Abend hatten wir ein wunderbares Ceili. Alle haben gesagt, es wäre schön, endlich wieder Musik und
Menschen im Cottage zu haben. Zwei Schwestern von Brenna O’Toole kamen mit ihren Freunden. Die vier wirkten mehr als vergnügt, und Mollie hat jedes Mal, wenn sie sie ansah, vor Freude gestrahlt. Oh, und ich habe mit Mr. Riley getanzt. Er wirkt so alt und schwach, dass ich Angst hatte, er bräche mir zusammen – aber er hat eine solche Kondition, dass ich am Ende völlig aus der Puste war.«
Lachend schüttelte sie sich die Haare aus der Stirn. »Und dann hat er mich gebeten, ihn zu heiraten – was beweist, dass ich anscheinend tatsächlich hier in Ardmore akzeptiert werde. Ich habe einen Schinken gebacken. Es war das allererste Mal, dass ich so etwas gemacht habe, und es hat, oh Wunder, funktioniert. Nicht mal irgendwelche kleinen Reste für die Hunde sind übrig geblieben. Später am Abend hat Shawn Gallagher ›Four Green Fields‹ gesungen, und sämtliche Zuhörer weinten vor Rührung. Nie zuvor habe ich ein Fest veranstaltet, auf dem die Leute gelacht und geweint und gesungen und getanzt haben. Aber jetzt verstehe ich gar nicht mehr, weshalb es überhaupt andere Feste gibt.«
»Warum erzählst du ihr nichts von Aidan?«
Jude blickte langsam auf. Es überraschte sie nicht besonders, Carrick gegenüber von Maudes Grab stehen zu sehen. Ein weiteres Wunder, nahm sie an, und das erschien ihr inzwischen vollkommen normal. Trotzdem zog sie überrascht die Brauen hoch, als sie das zornige Blitzen seiner Augen und seine wütend zusammengepressten Lippen sah.
»Aidan war auch da«, erklärte sie leise. »Er hat so schön gespielt, herrlich gesungen und genug Bier aus dem Pub mitgebracht, um darin ein Schlachtschiff schwimmen zu lassen.«
»Außerdem ist er mit dir in den vom Mond beschienenen Garten hinausgegangen und hat dich gebeten, ihn zu heiraten.«
»Tja, mehr oder weniger. Er ist mit mir in den vom Mond
beschienenen Garten hinausgegangen und hat mir dort erklärt, er bräuchte eine Frau, und ich würde seinen Anforderungen genügen.« Jude blickte auf Finn, der an Carricks weichen braunen Stiefeln knabberte.
»Und was hast du ihm geantwortet?«
Jude faltete die Hände über ihren Knien. »Wenn Sie so viel wissen, dann wissen Sie doch sicher auch den Rest.«
»Nein!« Sein Protest brach derart vehement aus ihm heraus, dass sich die um ihn herum stehenden Gräser bebend zu Boden drückten. »Du hast Nein gesagt, weil du weniger Verstand als eine Karotte besitzt.« Er pikste sie mit seinem Zeigefinger an, und obgleich sie zu weit auseinander standen, als dass er sie tatsächlich hätte berühren können, spürte sie den Druck auf ihrer Schulter. »Ich dachte, du wärst eine intelligente Frau, eine Frau mit einem regen Verstand, gutem Benehmen und einem starken Herzen. Jetzt aber sehe ich, dass du wankelmütig und feige und stur wie ein Maulesel bist.«
»Wenn Sie so wenig von mir halten, will ich Sie nicht länger mit meiner Anwesenheit belästigen.« Sie sprang auf die Füße, reckte trotzig das Kinn und rang entsetzt nach Luft, als sie sich umdrehte und geradewegs mit ihm zusammenstieß.
»Du bleibst, wo du bist, bis ich dir erlaube, dich zu entfernen.«
Zum ersten Mal klang seine Stimme drohend und machtvoll wie die eines wahren Prinzen. Um nicht vor Furcht zu zittern, straffte sie die Schultern und starrte reglos geradeaus. »Bis Sie mir was erlauben? Ich kann ja wohl kommen und gehen, wie ich will. Schließlich ist das hier meine Welt.«
Während seine Augen zornig blitzten, verdunkelte sich der Himmel und leises Donnergrollen wurde laut. »Das hier war bereits meine Welt, als ihr Menschen noch in Höhlen gelebt habt. Und es wird auch dann noch meine sein, wenn du
längst zu Staub zerfallen bist. Du tätest gut daran, das niemals zu
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