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Insel meiner Sehnsucht Roman

Insel meiner Sehnsucht Roman

Titel: Insel meiner Sehnsucht Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josie Litton
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Aufmerksam schaute sie ihre Tante an, nicht mit dem verschleierten Blick eines Babys, sondern direkt und eindringlich. Dann öffnete sie den Mund und schloss ihn wieder, wie ein kleiner Vogel. Die Stirn gerunzelt, kniff sie die Augen zusammen.
    »Offensichtlich will sie dir etwas sagen«, meinte Joanna leichthin, griff nach ihrer Tochter und drückte sie an ihre Brust. Behutsam klopfte sie ihr auf den Rücken.
    »Nun muss ich gehen.« Obwohl Kassandras Knie zitterten, hielt sie sich tapfer auf den Beinen.
    »Royce wird wohlbehalten zurückkommen«, versicherte Joanna.
    »Darum bete ich.« Als Kassandra die Suite verließ, näherte sich die Sonne dem Horizont.
    Im Flur, der zu Atreus' Schlafzimmer führte, zögerte sie. Sollte sie ihren Bruder noch einmal besuchen? Aber er war bewusstlos, würde ihre Anwesenheit nicht wahrnehmen, und die Zeit drängte. Außerdem saßen Phaedra und Andrew bei ihm. Und die Eltern würden womöglich merken, dass irgendetwas nicht mit ihr stimmte.
    Nein, es war besser, unverzüglich aufzubrechen.
    Sie beschleunigte ihre Schritte, denn sie fürchtete, wenn sie auch nur sekundenlang innehielt, würde sie sich anders besinnen. Schnell, schnell – durch die Räume und Korridore, die sie ihr Leben lang gekannt hatte. Im Hof zwang sie sich, langsamer weiterzugehen. Sie durfte keine neugierigen Blicke auf sich ziehen. Aber sobald sie das Tor der Löwinnen passiert hatte, begann sie zu laufen.
    So wie Joanna gelaufen und dann hochgesprungen war.
    Aber Joanna war ins Leben gesprungen, während sie, Kassandra …
    Denk nicht nach, beeil dich … Die Zeit wurde knapp. Während sie die Straße hinter der Stadt hinaufstieg, musste sie nach Atem ringen. Höher und höher – bis sie ein kleines Plateau erreichte, wo steinerne Sitzreihen einen Halbkreis um eine Bühne bildeten. Als sie ein kleines Kind gewesen war, hatte die Mutter sie zum ersten Mal in dieses Theater geführt. So gut erinnerte sie sich, wie aufgeregt und begeistert sie an Phaedras Hand umhergewandert war …
    Diesen Ort liebte sie.
    Welch eine Ironie, dass Deilos ihn gewählt hatte …
    Sie musste allein hierher kommen, hatte er verlangt. Und sie war allein. Was er nicht wissen konnte – es spielte keine Rolle. Die Vision war unmissverständlich gewesen. Wenn Kassandra starb, würde die rote Schlange Akora nicht verschlingen. Und hier in diesem Theater, das sie so gut kannte, hatte sie ihren eigenen Tod gesehen. »Die ganze Welt ist eine Bühne, und alle Frauen und Männer sind bloße Spieler«, hatte der große englische Barde geschrieben. Eine weise Erkenntnis …
    Um diese Stunde war das Theater menschenleer. Sie folgte dem Gang, der zwischen mehreren Sitzreihen hindurchführte. Vor der Bühne blieb sie stehen und drehte sich um.
    Weit und breit keine Menschenseele …
    War die Nachricht ein schlechter Scherz gewesen?
    Während sie diesem Gedanken nachhing, hörte sie ein Geräusch – seltsam, fremdartig – immer lauter.
    In der Bühnenmitte stieg etwas empor, der Boden öffnete sich, eine Plattform tauchte aus der Tiefe auf.
    Deus ex machina, dachte Kassandra. Der Gott aus der Maschine, ein wichtiges Element in zahlreichen Dramen. Plötzlich mischte sich eine Gottheit in die Ereignisse ein, die aus einem unterirdischen Versteck heraufzuschweben schien. Über diesen Effekt pflegten die Gebildeten unter den Zuschauern zu spotten, oder sie nannten ihn ein albernes Klischee.
    Aber jetzt konnte sie nicht lachen. Von kaltem Grauen erfüllt, starte sie den Mann an, der von der Plattform auf die Bühne trat.
    »Ah, Prinzessin Kassandra!«, rief er lächelnd. »Wie schön, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind!«

18
    »Leider haben Sie mir keine Wahl gelassen«, erwiderte Kassandra.
    Da lächelte er noch breiter und entblößte seine Zähne. Nein, es ist kein Lächeln, dachte sie schaudernd, eher die fratzenhafte Maulsperre bei einem plötzlichen Tod …
    Aber jetzt durfte sie nicht an den Tod denken. Für Gedanken fehlte die Zeit – sie musste handeln.
    »Das habe ich beabsichtigt«, erklärte er. »Sie sind viel zu – unnahbar.«
    »Unnahbar?«, wiederholte sie. »Ich bin doch hier.«
    »In der Tat.« Er sprang vor und schwenkte die Arme durch die Luft, verschränkte sie und breitete sie abrupt aus. Schließlich verharrte er in einer leicht gebeugten Pose, einen Fuß vorgeschoben, eine Hand in die Hüfte gestemmt.
    Hält er dieses Getue für vornehm?, fragte sie sich.
    »Ich möchte Sie heiraten«, verkündete er.
    Qualvoll

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