Insel meiner Sehnsucht Roman
Stirn, sichtlich verärgert, weil er das Thema gewechselt hatte.
»Schreibt er dir oft?«, fragte Royce seine Schwägerin.
Kassandra schüttelte den Kopf. »Ein oder zwei Mal – ich habe nicht darauf geachtet.«
»Was um alles in der Welt will er von dir?«
»Nichts, so weit ich's feststellen kann. Er schickt mir einfach nur geschwätzige Briefe.«
»Und warum? Das verstehe ich nicht.«
»Weil er fasziniert von Akora ist. Das erklärte er mir, als wir uns im Melbourne House kennen lernten.« Kassandra ergriff den letzten Brief des Poeten. »Außerdem scheint er sich einsam zu fühlen. Im Augenblick liegt das gesellschaftliche Leben ziemlich brach – wegen der politischen Schwierigkeiten.«
»Hast du ihm geantwortet?«
»Nein. Aber was geht dich das eigentlich an?«
Royce errötete »Nun, ich finde, es wäre keine gute Idee, wenn du dich mit Byron anfreunden würdest.«
»Das habe ich nicht vor.«
»Sehr klug von dir.«
Herausfordernd starrten sie einander in die Augen, bis sich Joanna räusperte. »Ich bin ja so froh, dass das geklärt ist … Könnt ihr beide wenigstens eine Viertelstunde beisammen sein, ohne zu streiten?«
»Wir streiten nicht …«, begann Kassandra und verstummte abrupt, weil sie ihrer Schwägerin Recht geben musste.
Wann immer sie mit Royce zusammen war, flogen die Funken. Teilweise mochte das an der angespannten Situation in den Londoner Straßen liegen. Doch es hing auch mit seiner und ihrer ungestillten Sehnsucht zusammen. Das musste sie sich wohl oder übel eingestehen. »Tut mir Leid, Joanna, ich möchte deine Gastfreundschaft nicht mit meinem unleidlichen Benehmen missbrauchen.«
»Ich auch nicht«, beteuerte Royce hastig.
»Sehr gut«, lobte Joanna. »Und jetzt – vielleicht würde mir einer der beiden Gentlemen erklären, warum mein großzügiges Angebot, aufs Land zu übersiedeln, nicht mit lautem Jubel begrüßt wurde.«
Diese Aufgabe übernahm Alex, der nur kurz zögerte. »Auf Boswick und Hawkforte ist alles in Ordnung.«
»Oh, das freut mich. Insbesondere, weil ich nichts anderes erwartet habe.«
»Aber die Unruhen haben sich auch in der Londoner Umgebung ausgebreitet. Deshalb sind die Straßen nicht mehr sicher.«
»Und wenn wir die Straßen meiden und nach Hawkforte segeln? Das haben wir oft getan …« Als sie seine verschlossene Miene sah, unterbrach sie sich. »Offenbar hast du noch etwas anderes zu sagen.«
»Darüber will ich jetzt nicht reden.«
Kassandra verbarg ihre Überraschung nur mühsam. Instinktiv wandte sie sich zu Royce. Er wusste Bescheid. Das las sie in den kühlen, goldenen Schatten seiner Augen, die ihren Blick erwiderten. Er wusste, was Alex im Schilde führ te. Und er billigte es.
»Jetzt werde ich nach oben gehen«, verkündete Joanna und erhob sich, den Tränen nahe, was nicht zu ihr passte.
»Mein Liebes …« Alex sprang auf.
Abwehrend hob sie eine Hand. »Nein, schon gut … Es war ein anstrengender Tag.« Als er sie zur Tür begleitete, schüttelte sie den Kopf. »Bitte, bleib hier. Ich möchte ein bisschen allein sein.«
Das Baby im Arm, verließ sie das Zimmer, und Alex fluchte leise. Royce stand auf und schenkte ihm einen Brandy ein. »Mach dir keine Sorgen, sie ist eine starke Frau.«
Sein Schwager nahm das Glas entgegen. Aber er nippte nicht daran, stellte es beiseite, und die Männer setzten sich wieder.
Offenbar fiel es Alex schwer, sich auf das Problem zu konzentrieren, das ihn seit Tagen beschäftigte. »Royce weiß von deiner Gabe, Kassandra. Deshalb finde ich, er sollte auch alles andere erfahren.« Da seine Schwester nicht widersprach, fuhr er fort: »Letztes Jahr sah sie eine britische Invasion in unsere Heimat voraus, und deshalb konnten wir die Bedrohung abwenden.«
Ohne sich erstaunt zu zeigen, nickte Royce. »Das nahm ich an, nachdem sie mir von ihren Fähigkeiten erzählt hatte.«
»Gut. Dann wirst du auch verstehen, wie erleichtert wir waren, als Deilos besiegt war und Kassandra keine weiteren Visionen hatte.«
»Ja, gewiss.«
»Nun sind sie leider zurückgekehrt.«
Bestürzt hob Royce die Brauen. »Oh … Davon hast du nichts erwähnt.«
»Weil ich es erst seit kurzem weiß.« Zu Kassandra gewandt, fügte Alex hinzu: »Wir dachten, wenn die Briten tatsächlich planen, in Akora einzumarschieren, müsste Spencer Perceval dahinter stecken. Es passte zu seiner Politik. Und in der Position des Premierministers hatte er auch die Möglichkeit, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen – obwohl er dem
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