Insel meiner Sehnsucht Roman
Sehnsucht nach einem anderen Land, einem anderen Heim, irgendwo zwischen Traum und Erinnerung.
Qualvolle Sorgen verdunkelten Royces Augen. »Weißt du, warum Alex seine Frau weder nach Hawkforte noch nach Boswick schicken möchte?«
»Ja…« Mit diesem Mann konnte sie über alles reden, und dafür war sie dankbar. »Weil sie nach Akora fahren soll. Sicher ist ihm dieser Entschluss sehr schwer gefallen, und ich verstehe, warum er sich dazu durchgerungen hat. Was Akora bedroht, liegt in ferner Zukunft. Und die Gefahr in England besteht jetzt .«
»Wenn die Akoraner nichts befürchten müssen, könnte Alex seine Familie auf dieser Reise begleiten.«
»Unter diesen Umständen ist es unmöglich. Ein Regierungswechsel bahnt sich an, nicht wahr? Deshalb muss er hier bleiben, um Akoras Interessen zu schützen.« Leise fügte sie hinzu: »Alex und Joanna werden ganz schrecklich unter der Trennung leiden. Und er wird Amelia vermissen. Wie traurig das alles ist …«
Zögernd fragte Royce: »Ist dir klar, dass nicht nur Joanna dieses Land verlassen muss?«
Sie seufzte tief auf. »Irgendwie dachte ich – nachdem ich so lange auf meinen Besuch in England gewartet hatte, würde mir etwas mehr Zeit bleiben.«
Aufmunternd legte er einen Finger unter ihr Kinn. »Du wirst wiederkommen.«
Nein, dachte sie. Nicht, wenn die Vision zutreffen würde. Und obwohl immer nur Möglichkeiten vor ihrem geistigen Auge erschienen – sie täuschte sich nur selten. Hätte sie ihr Blut doch niemals fließen sehen … Instinktiv suchte sie Zuflucht in Banalitäten. »Nun, ein paar Tage werden mir sicher noch vergönnt. Vielleicht kann ich noch einmal ins Gunter's gehen – vorausgesetzt, auf den Straßen herrschen wieder Ruhe und Ordnung.«
»Und wenn ich den ganzen Laden hierher schleppen muss – du wirst nicht ohne Toffees abreisen, das verspreche ich dir hoch und heilig.«
»Am liebsten mag ich Zitronendrops.«
»Die wirst du bekommen.«
Seite an Seite stiegen sie die Treppe hinab.
»Atreus' Anweisungen sind unmissverständlich«, erklärte Alex ein paar Tage später. Bellingham war begraben worden. Seither erholte sich London von den aufregenden Ereignissen und schien in einem trägen Vakuum zu versinken – nur von der bangen Frage aufgeschreckt, wer die neue Regierung bilden würde. Die Whigs erhofften eine zweite Chance, während sich die Torys an die Macht klammerten, und der fette George hütete sein Bett. »Kassandra soll an Bord des Schiffs, das uns die Nachricht überbracht hat, zurückkehren. Ganz unverzüglich, ohne jede Diskussion.«
»Muss ich mich über die Andeutung ärgern, ich könnte einen Befehl des Vanax missachten?«, fragte Kassandra leise. Sie war zu müde, um vehementer zu protestieren. In letzter Zeit schlief sie sehr schlecht – glücklicherweise, denn durch ihre Träume geisterten Bilder voller Blut und Verderben.
»Nur falls du vorgeben willst, du würdest Atreus widerspruchslos gehorchen, wenn sich die Situation nicht zugespitzt hätte«, entgegnete Alex. Liebevoll musterte er seine Schwester, die ihm ausnahmsweise keine Schwierigkeiten bereitete.
»Nun, ich füge mich in mein Schicksal«, log sie, weil sie es vorzog, ihre Sorge zu verbergen. Außerdem begrüßte sie die Trennung von Royce. Ihre Gefühle für ihn waren gefährlich, drohten sie vom Weg ihrer Pflicht abzulenken, und das erschien ihr viel zu verführerisch.
»Also, ich nicht«, verkündete Joanna, die am Fenster stand. In ihre eigenen Gedanken versunken, hatte sie in den Garten hinausgeschaut. Aber jetzt drehte sie sich zu ihrem Ehemann um. »Und ich gebe auch nicht vor, ich würde resignieren. Seit neunhundert Jahren bietet Hawkforte seinen Bewohnern Schutz und Sicherheit. Was sollte mir dort zustoßen?«
»Muss ich dich daran erinnern, dass du jetzt zu den Atreiden gehörst?«, fragte Alex kühl. »Ebenso wie unsere Tochter?«
»Nein, das musst du nicht«, seufzte sie. »Ich habe nur ausgesprochen, was ich denke. Und da wir nur noch ein wenig Zeit füreinander haben, sollten wir nicht streiten.«
Spontan eilte er zu ihr, nahm sie in die Arme, und sie lehnte den Kopf an seine breite Brust. Royce und Kassandra wechselten einen kurzen Blick. In stillschweigendem Einvernehmen standen sie auf und verließen den Salon, um das Ehepaar nicht zu stören.
Während sie durch den Garten schlenderten, bemerkte Royce: »Die Ehe hat meine Schwester zur Sanftmut erzogen. Früher hätte sie nicht so leicht nachgegeben.«
»Weil sie Alex liebt,
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