Insel meiner Sehnsucht Roman
Haut: »Ich fühle mich so schuldig.«
Sofort drückte er sie fester an sich, und das überraschte sie, denn sie hatte vermutet, er würde schlafen. »Wieso denn, um Himmels willen?«
»Weil Atreus so schwer verletzt wurde – und die anderen … Und die Tragödie, die Akora erlitten hat. Und ich bin trotz allem so glücklich wie noch nie in meinem Leben.«
Leise seufzte er, dann presste er seine Lippen an ihre Schläfe. »Und du glaubst, das wäre falsch?«
»Nein«, antwortete sie zögernd. Sekunden später wiederholte sie in entschiedenem Ton: »Nein, an meinem Glück lässt sich nichts ändern, und ich will mir nicht den Kopf darüber zerbrechen.«
Was er antwortete, hörte sie nicht, denn sie versank in samtigem Dunkel. Sie spürte auch nicht, wie er die Decke über sie beide zog. Hellwach und nachdenklich lag er neben ihr. In dieser Nacht tat er kein Auge zu.
13
Marcellus stand vor Atreus' Schreibtisch. Auf der großen Platte häuften sich keine Papiere, nur eine Feder lag neben dem Tintenfass, das der Vanax zu benutzen pflegte. Kassandra hatte nichts verändert, nichts entfernt oder hinzugefügt. Und sie saß auch nicht hinter dem Tisch. Dazu würde sie sich niemals durchringen, solange ihr Bruder lebte.
Wie üblich, hielt der Friedensrichter seine Notiztafel in der Hand. Aber Kassandra bemerkte, dass er nicht mehr so oft darauf blickte wie am Vortag. Jetzt schien er sie eher wie einen Talisman bei sich zu tragen. Er erweckte den Eindruck, er hätte geschlafen, zumindest ein wenig, und er war frisch rasiert. Noch wichtiger – er wirkte ruhig und sachlich.
»Ich werde die Männer anweisen, ihre Nachforschungen auf Deimatos zu konzentrieren, Atreides, so wie Sie es mir empfohlen haben. Doch sie sollen Beweisstücke, die sie vielleicht auf Phobos oder Tarbos finden werden, keinesfalls außer Acht lassen.«
Kassandra nickte. »Und wie geht es den verhafteten Rebellen?«
»Den Umständen entsprechend. Sie sind ziemlich jung, höchstens Mitte zwanzig. Natürlich sorgen sich ihre Familien – wozu kein Grund besteht, denn die Männer werden gut betreut. Einige gestanden, sie hätten ihre Parole auf verschiedene Wände geschrieben und die gelben Banner im Palasthof verteilt. Damit prahlten sie sogar. Aber sie bestreiten jede Schuld an der Explosion.«
»Was ist mit dem Mann, der auf der Mauer saß und ein gelbes Spruchband um den Hals trug? Haben die Rebellen zugegeben, dass sie ihn kennen?«
»Nein, sie beteuern, so jemand würde nicht existieren.«
»Nun, vielleicht stimmt das …«, meinte sie nachdenklich. »Nur ein einziger Zeuge behauptet, er habe ihn gesehen.«
»Mittlerweile sind es drei«, warf Royce ein, der langsam umherwanderte und Kassandra musterte.
An diesem Morgen war sie nicht mehr so blass wie am Vortag, obwohl sie kaum geschlafen hatte. Das wusste er, denn er war die ganze Nacht wach geblieben, um ihren Schlummer zu schützen. Viel zu früh hatte sie die Augen geöffnet, viel zu schnell war sie wieder ihren Pflichten nachgegangen. Und seither gönnte sie sich keine Atempause.
Immerhin gehörte sie der Atreidendynastie an.
»Zwei weitere Zeugen wurden gefunden«, fuhr er fort, »zusätzlich zu dem alten Mann. Auf der anderen Seite des Stadions saß eine Frau. Auch sie entdeckte die Gestalt, die auf der Mauer saß, ein gelbes Banner um den Hals. Der dritte Zeuge ist ein etwa elfjähriger Junge. Obwohl sich die Beschreibungen der verdächtigen Person unterscheiden und keiner ihr Gesicht ausmachen konnte – was das gelbe Spruchband um den Hals betrifft, stimmen sie überein.«
»Vielleicht hat das nichts zu bedeuten«, meinte Kassandra.
»Oder sehr viel.«
Eine Zeit lang hielt er ihren Blick fest, dann räusperte sich der Friedensrichter. »Atreides, Sie wissen zweifellos, unter welch starkem Druck wir stehen. Natürlich erwartet die Bevölkerung, dass wir die Übeltäter möglichst schnell vor Gericht bringen.«
»Ja …« Kassandra zwang sich, ihre Aufmerksamkeit wieder auf das ungelöste Problem zu lenken. »Unglücklicherweise ist der oberste Richter, der Vanax, vorerst indisponiert. Sobald sich mein Bruder erholt hat, wird er unverzüglich die nötigen Maßnahmen ergreifen.«
»Aber das könnte noch eine Weile dauern, Hoheit.«
»Das wird sich zeigen …« Ihre Stimme nahm einen härteren Klang an. »In der Zwischenzeit müssen die Gefangenen rücksichtsvoll und höflich behandelt werden.«
»Sollen sie freigelassen werden?«, fragte Marcellus sanft.
»Nein. Solange das
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