Insel meiner Sehnsucht Roman
Frau und zu Akora dachte. »Ja, gewiss. Wer kommt sonst noch mit?«
»Vermutlich die Ratsherren, Priester und Priesterinnen.«
»Keine Wachtposten?«
»Meinst du ein Gefolge, wie es den Prinzregenten auf seinen Reisen begleitet?« Kassandra rümpfte die Nase. »Auf so einen Pomp legen wir keinen Wert.«
Da stieg neuer Ärger in ihm auf, diesmal von der Sorte, die eine Reaktion verlangte. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Entweder war sie nicht die Frau, für die er sie hielt – intelligent, scharfsinnig und feinfühlig – , oder ihr Benehmen hatte andere Gründe. Könnte er sich in ihr getäuscht haben? Diese Möglichkeit erwog er nur wenige Sekunden lang. Nein, er kannte Kassandra. Was verschwieg sie ihm? Und warum weihte sie ihn nicht in ihre Geheimnisse ein?
»Eigentlich dachte ich eher an ein paar Leibwächter, die dich beschützen sollen. Das ist keineswegs pompös.«
»Aber bei uns nicht üblich«, erwiderte sie achselzuckend.
Nur mühsam rang er sich ein Lächeln ab. »Bisher waren Mordanschläge auf den Vanax auch nicht ›üblich‹.«
Ihre Augen waren groß und dunkel, und jeder außer Royce würde eine völlig gefasste, selbstsichere Frau in ihr sehen. Mit jedem Atemzug wuchs seine Überzeugung, das sie etwas im Schilde führte, das er nicht billigen würde.
»Sicher diene ich meinem Volk am besten, wenn ich mich möglichst normal verhalte.«
»Und du wirst tun, was immer deinem Volk nützen mag, nicht wahr?«
Fast unmerklich flatterten ihre Lider, und ihre Lippen – so süß, so verlockend – bebten. »Das ist meine Pflicht. Vielleicht wäre es besser, du würdest hier bleiben und Marcellus helfen.«
»Nein, das glaube ich nicht. Bei meinem ersten Aufenthalt in deiner Heimat habe ich nicht viel gesehen. Und ich will keinesfalls die Gelegenheit versäumen, die Olivenhaine zu bewundern.«
»Nun, dann musst du mich begleiten.« Diesmal wirkte ihr Lächeln echt.
Am Nachmittag wurden mit jener Umsicht, die ihm auf Akora bereits alltäglich erschien, Vorbereitungen getroffen. Zwei Ratsherren sollten an den Zeremonien teilnehmen, Mellinos und ein Mann namens Polydorus, der Besitzer des Olivenwäldchens, das sie zuerst besuchen würden. Inzwischen waren die meisten anderen Ratsmitglieder zu ihren Ländereien gereist, um die Bewohner über die jüngsten Ereignisse zu informieren und ihnen Trost zu spenden. Nur Troizus blieb in Ilius. Dazu fühlte er sich verpflichtet, wie er der Prinzessin mitgeteilt hatte.
Bevor Kassandra und Royce aufbrachen, gingen sie noch einmal zu Atreus. Phaedra schlief, mit der Hilfe eines Beruhigungstranks, den Elena ihr auf Andrews unmissverständlich geäußerten Wunsch verabreicht hatte.
Aber Joanna saß immer noch neben dem Bett und hielt die Hand ihres Schwagers. »Vorhin war er ein paar Minuten lang bei Bewusstsein«, erzählte sie. »Ich glaube, er erkannte seine Mutter und Andrew.«
»Hat er etwas gesagt?«, fragte Kassandra leise. Sie fand, jetzt würde ihr Bruder nicht mehr so blass aussehen wie am Morgen, und sie hoffte inständig, dies würde kein Fieber ankündigen.
»Nein«, antwortete Joanna. »Doch er zwinkerte immerhin mit den Augen, als Phaedra mit ihm sprach.« Sie blickte auf und las tiefen Kummer in Kassandras Augen. »Kein allzu großer Fortschritt, ich weiß … Trotzdem müssen wir an seine Heilung glauben.«
»Was meint Elena?« Zum ersten Mal, seit man Atreus in das Zelt neben der Sandbahn gebracht hatte, wo die Verletzten versorgt worden waren, traf Kassandra die Heilkundige nicht an der Seite ihres Patienten an.
Aber Brianna vertrat ihre Tante und antwortete: »Sein Herz schlägt stark und gleichmäßig, Prinzessin. Und es gibt keine Anzeichen für eine Infektion. Die größte Sorge bereitet uns die Wunde an seinem Kopf.«
»Wenn er in absehbarer Zeit nicht zu sich kommt …« Diesen Satz vollendete Kassandra nicht. Das war auch gar nicht nötig, denn sie wussten es alle – je länger Atreus bewusstlos blieb, desto schlechter standen die Chancen für seine Genesung.
»Jetzt schläft meine Tante«, erklärte Brianna. »Sie glaubt, dass sie einen Eingriff vornehmen muss. Deshalb möchte sie sich vorher ausruhen und neue Kräfte sammeln.«
»Will sie den Vanax operieren?«, fragte Kassandra bestürzt. Jede Operation war riskant – und wenn es um das Gehirn ging, besonders heikel. »Davon wusste ich nichts.«
Mitfühlend lächelte Joanna. »Bis jetzt wurde keine Entscheidung getroffen. Und vielleicht ist es auch gar nicht
Weitere Kostenlose Bücher