Insel meiner Sehnsucht Roman
immer, denn manchmal erschien ihm ihr Lächeln echt. Aber in letzter Zeit viel zu selten …
Irgendetwas verbarg sie vor ihm.
Er versuchte, den Gedanken zu verdrängen. Doch es gelang ihm nicht. Obwohl er inbrünstig wünschte, sie wäre ehrlich zu ihm, quälten ihn wachsende Zweifel. Womöglich lag die Schuld bei ihm, nicht bei ihr, denn er hatte sich viel zu sehr an die Intrigen in den Kreisen des englischen Hofs gewöhnt, an falsche Versprechungen und Verrat, an das ständige Streben nach Macht um jeden Preis.
Auf Akora ging es anders zu – nicht einfacher, es wäre ein Fehler, das zu vermuten, weil in diesem Inselreich eine alteingesessene, komplexe Gesellschaft lebte. Vielleicht teilten die Akoraner etwas mehr miteinander – Ideale, ihren Glauben, Wertmaßstäbe, sogar ihren Reichtum. Aber nicht die Macht, sagte er sich, zumindest nicht hinreichend, um die Helios-Anhänger zufrieden zu stellen.
Royce ließ seinen Blick wieder durch den alten Olivenhain wandern, dann über die Menschen hinweg, zu den Straßen und Bergen. Hier waren sie ungeschützt, diesem oder jenem Feind ausgeliefert, der es wagen würde, das Herz von Ilius anzugreifen. Andererseits würden sie jeden, der sich ihnen nähern würde, sofort entdecken. Wenn Kassandra auch auf Leibwächter verzichtete – all die kräftigen jungen Bauern erweckten den Eindruck, sie hätten die auf Akora übliche militärische Ausbildung absolviert.
Wahrscheinlich musste sie in diesem Hain nichts befürchten, hütete keine Geheimnisse, und er war einfach nur so verliebt, dass sich sein Urteilsvermögen umnebelt hatte.
Ach, die Liebe… Er nahm einen Schluck Wein und entschied, er würde die Situation meistern. Auf dieser Welt existierte die Liebe nun einmal, das hatte er schon immer gewusst. Dafür war die Ehe seiner Eltern der beste Beweis gewesen. Und in letzter Zeit hatte er das gleiche Phänomen auch bei Joanna und Alex beobachtet. Und um sich die Wahrheit einzugestehen – hin und wieder hatte er gehofft, solche Gefühle selbst zu empfinden. Nicht, dass er es erwartet hätte, denn so etwas schien verdammt selten zu geschehen. Und doch – was er jetzt verspürte, war unverkennbar.
Natürlich liebte er Kassandra. Es fiel ihm so leicht, sie zu lieben – eine schöne, leidenschaftliche, mutige Frau … Nein, so einfach war es nicht. Wünschte er sich Ehrlichkeit von ihr? Die musste er ihr erst einmal selber bieten.
An ihr war nichts einfach. Was er in den unschuldigen Tagen seiner Jugend erträumt hatte, erschien ihrer akoranischen Seele selbstverständlich. Und genauso musste sie in ihm einen Traum sehen. Konnten sich Träume in Wirklichkeit verwandeln?
So viel mehr gab es zu bedenken. Sie war eine Prinzessin, die Tochter einer uralten Dynastie, für eine Führungsposition geschaffen. Demonstrierte sie das nicht, indem sie ohne Zögern ihren Bruder vertrat?
Die Atreides.
Für Royce und Akora ein neuer Gedanke.
Wenn Atreus starb, würde Alex hierher zurückkehren. Würde man ihn zum Vanax erwählen? Nicht unbedingt. Dank seines ehrenwerten Charakters würde er erkennen, dass sich seine Schwester viel stärker mit Akora verbunden fühlte als er selbst.
Ebenso wie Royce nahm Kassandra die Pflicht sehr ernst. Niemals würde sie ihre eigenen Wünsche über das Wohl Akoras stellen.
Lieber Gott und alle Heiligen, lasst Atreus am Leben bleiben, betete Royce. Nicht nur um seinet- und seines Kö nigreichs willen … Verwirrt runzelte er die Stirn, erschrocken über diese egoistische Bitte, die nicht zu ihm passte.
Wurde man selbstsüchtig, wenn man liebte? Vielleicht. Aber deshalb würde er sich nicht schuldig fühlen. Er hoffte nur, Kassandra könnte frei und ungefährdet entscheiden, welches Leben sie führen würde – an seiner Seite.
Er nippte wieder an dem kühlen, herben Wein und beobachtete sie. Wie anmutig sie den Frauen die Hände reichte … Sie begannen zu tanzen, erst langsam, dann immer schneller im Sonnenlicht, das zwischen den Zweigen der alten Bäume herabfiel. Aus Rücksicht auf die alten Frauen wurde das Tempo bald wieder gedrosselt. Würdevoll bewegten sich die Greisinnen, aber auch fröhlich. Vor lauter Freude strahlten sie über all die faltigen Gesichter und schienen sich an frühere Zeiten zu erinnern, an ein anderes Glück. Die Jüngeren lächelten, doch er ahnte, dass sie viel übermütiger wären, würde der beklagenswerte Zustand des Vanax das Fest nicht überschatten. Trotzdem tanzten sie im Olivenhain so wie zahllose
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