Insel meiner Sehnsucht Roman
wohl zu Höherem berufen.«
»Uns allen waren die Götter stets gewogen – allen, die auf Akora leben, besonders den Atreiden. Mögen sie uns ihre Gunst nicht entziehen.«
Trotz seines alkoholisierten Zustands ging er würdevoll davon und hinterließ ein Schweigen, das Troizus schließlich brach: »Wenn ich ihn auch einen guten Freund nenne – er war schon immer ein bisschen zu abergläubisch.«
»Tatsächlich?« Kassandra hob die Brauen. »Ich sah keine Hasenpfoten an seinem Hals hängen.«
»So offensichtlich ist es nicht. Aber er glaubt an das Schicksal, als wäre es eine Macht, mit der man unbedingt rechnen muss.«
»Und Sie sind anderer Meinung?«, fragte Royce.
»Nun, ich glaube an Chancen, nicht an ein unausweichliches Los. Und ein kluger Mann nutzt jede Gelegenheit, die sich ihm bietet.« Ruckartig stellte er seinen Kelch auf den Tisch, und die Flüssigkeit funkelte im Fackellicht. Immer noch voll, registrierte Royce erstaunt. Was ist das für ein Mann, der sich weigert, den Sonnenschein zu trinken? »Auch ich möchte mich verabschieden, Atreides«, fügte Troizus hinzu. »Der Mond steht hoch am Himmel. Und ich sehne mich nach meinem Bett.«
Die Schultern gestrafft, verließ er den Raum. Kassandra leerte ihren Kelch. Mit bebenden Fingern stellte sie ihn beiseite. »Bevor ich mich zurückziehe, möchte ich noch nach Atreus sehen«, erklärte sie und streckte ihre Hand aus. Ihr Lächeln wirkte müde, aber so zauberhaft, das es Royces Seele erwärmte.
Gemeinsam betraten sie den stillen Raum, wo Elena neben dem Bett Wache hielt. In ihrer Nähe, auf einer Matte, die am Boden lag, schlief Brianna. Rastlos bewegte sie sich, vielleicht von bösen Träumen heimgesucht.
»Er befindet sich immer noch in weiter Ferne«, flüsterte die Heilkundige. »Aber das Band, das ihn mit uns vereint, ist stark und fest.«
Besorgt musterte Kassandra das bleiche Gesicht ihres Bruders, das sich kaum vom weißen Damast ihres Kissenbezugs unterschied. »Wie lange noch?«
»Das weiß ich nicht«, gab Elena zu. »Ein paar Tage, vielleicht eine Woche – mehr nicht. Entweder kehrt er aus eigenem Antrieb zurück, oder wir müssen die Initiative ergreifen.«
Sie blieben noch eine Weile in Atreus' Zimmer und beobachteten seine Brust, die lautlose Atemzüge hoben und senkten. Schließlich seufzte Kassandra, neigte sich hinab und überraschte Elena mit einen sanften Kuss auf die Wange. »Wir alle vertrauen Ihren Fähigkeiten. Noch nie haben Sie einen Akoraner enttäuscht. Denken Sie daran, das wird die Bürde erleichtern, die Ihr Herz beschwert.«
Die Augen voller Tränen, drückte Elena die Hand der Prinzessin.
Royce begleitete Kassandra zu ihrer Suite. Vor der Tür blieb er stehen. Inzwischen war es spät geworden, tiefe Stille erfüllte den Palast. Nichts regte sich, kein Laut durchbrach das Schweigen. Bald würde die Sonne aufgehen. Und er fürchtete die Anforderungen des Tages, die seine Liebste erneut belasten würden. »Jetzt brauchst du deine Ruhe.«
»Was ich brauche …« Statt den Satz zu vollenden, reichte sie ihm ihre Hand. Vom Mondlicht versilbert, führte sie ihn in ihr Schlafzimmer.
14
Drei Tage voller Olivenhaine und Weihrauch, Gebete und Wein … Banges Warten neben Atreus' Bett, geflüsterte Besprechungen mit Elena. Stunden, die sich in die Länge zogen, um dann – wie so oft – plötzlich vorwärts zu schnellen.
Und dazwischen die Nächte. Gestohlene Zeit, dachte Kassandra und weigerte sich, Schuldgefühle zu empfinden. Jeder einzelne Augenblick war kostbar.
Im hellen Tageslicht erfüllte sie ihre Pflichten, die sich bald zur Routine entwickelten. Und dabei dachte sie immer wieder an eine bestimmte Berührung, ein gewispertes Wort, das sie im nächtlichen Dunkel beglückt hatte.
Royce war ein wunderbarer Liebhaber. In seinen Armen lernte sie eine neue Welt kennen – eine Welt ohne Leiden und Ängste, ohne Einsamkeit oder Grauen – eine Welt, in der nichts existierte außer himmlischer Liebeslust.
Stets hatte sie es genossen, im Morgengrauen aus dem Bett zu steigen. Und jetzt beklagte sie das frühe Erwachen.
Atreus' Zustand veränderte sich nicht. Unbewegt und bewusstlos lebte er weiter. Bald, sehr bald musste eine Entscheidung getroffen werden. Davor schreckte Kassandra zurück. Doch es ließ sich nicht vermeiden.
Jeden Tag schweiften ihre Gedanken über das Meer hinweg, zu ihrem anderen Bruder. Ein schnelles Schiff brachte Alex die traurige Nachricht. Trotzdem würde es Tage dauern, bis er sie
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