Insel meiner Traeume
Messing, lange nicht poliert, von der Salzluft verrostet...
Sie hinkte zur Luke, umfasste den Riegel und zerrte daran. Wäre sie nicht gefesselt, könnte sie ihn vielleicht aus der Halterung reißen. Aber wegen der verdammten Stricke fehlte es ihr an der nötigen Hebelkraft. Also blieb nur der Stein übrig. Sie holte ihn und schlug damit auf den Riegel, so gut es ging. Mehrmals traf sie ihre eigenen Finger, aber sie hielt tapfer durch und wurde schließlich belohnt, als ein Stück des Riegels abbrach. Hastig packte sie ihn und versuchte erneut, ihn herauszulösen. Das schaffte sie nicht. Und so benutzte sie wieder den Stein, bis ihre Arme schmerzten, die Finger bluteten. Voller Sorge fragte sie sich, ob man die
Geräusche an Deck hören würde. Schließlich - als sie schon glaubte, sie hätte ihre letzten Kräfte verbraucht - brach das kostbare Metall ab und fiel zu Boden. So schnell es ihre gefesselten Hände gestatteten, hob sie es auf und hielt den Atem an, bis ihre Fingerspitze eine scharfe Kante spürte. Die Freude über den Erfolg verscheuchte alle Gedanken an Schmerzen und Müdigkeit. Sie setzte sich auf die harten Planken und rieb den abgebrochenen Riegel an dem Strick, der um ihre Handgelenke geschlungen war.
Der Strick war dick, die Stahlkante schmal. Allmählich drang helleres Licht in die Kabine. Joanna spähte immer wieder durch das Bullauge und beobachtete, wie sich der Nebel auflöste. Bald - vielleicht zu bald würde Deilos den Anker lichten, und dann... Statt zu überlegen, was das bedeuten würde, verdoppelte sie ihre Bemühungen. Wenige Minuten später weckte eine durchtrennte Hanffaser berechtigte Hoffnungen. Daran klammerte sie sich, obwohl ihre geschwächten Hände mittlerweile zitterten. Manchmal entglitt ihr der zerbrochene Riegel, und sie musste ihn mühsam von neuem ergreifen. In ihren gepeinigten Fingern begannen die Gefühle abzusterben, und sie fürchtete, sie würde ihr Werk nicht vollenden können. Verzweifelt versuchte sie, den Strick zu zerreißen, merkte aber bald, dass sie damit den letzten Rest ihrer Kraft vergeudete. Schweiß und Tränen brannten in ihren Augen. Doch sie gab den Kampf nicht auf. Und als die Vormittagssonne in die Kabine schien, gab der Strick nach.
»Endlich!«, flüsterte sie, zerrte die Fessel von ihren Fußknöcheln und stand auf. Beinahe wäre sie wieder zu Boden gesunken, weil ihre Beine sie kaum trugen. Oh nein, einen Schwächeanfall durfte sie sich nicht erlauben. Jeden Augenblick würde sie die Ankerkette knarren hören...
Und da erklang das bedrohliche Geräusch. Kaltes Entsetzen verdunkelte ihre Seele. Hatte sie einen Sieg errungen, um doch noch eine Niederlage zu erleiden?
Während das Schiff zum Leben erwachte, warf sie sich gegen die Kabinentür und betete, sie möge sich öffnen.
Alex zog die Ruder des Skiffs ein. Am Kai hatte er sein Abendjackett und die Krawatte abgelegt und die Hemdsärmel hochgekrempelt. Feuchter Nebel klebte den Leinenstoff an seine Brust. Um Kollisionen zu vermeiden, hatte er langsam rudern müssen, das Boot vorsichtig an ankernden Schiffen entlang der Piers vorbeigesteuert und schließlich das offene Meer erreicht. Jetzt hielt er inne, während der Kahn auf den Wellen der Ebbe schaukelte, und lauschte angespannt. Der Nebel dämpfte die Geräusche. Und so hörte er nur das Plätschern kleiner Wellen an den Seiten des Skiffs und seine eigenen Atemzüge. Trotzdem ruderte er weiter und hoffte, Stimmen oder Klirren oder Knarren zu hören - irgendetwas, das auf die Nähe eines Schiffs hinweisen würde. Von Westen her frischte der Wind auf, und Alex sah, dass sich der Nebel aufzulösen begann. Nachdem er die Ruder in den Dollen gesichert hatte, spähte er durch das Fernglas, das ihm ein Lakai vor der Abfahrt gebracht hatte. In allen Richtungen suchte er den Horizont ab. Durch die Risse in den Nebelschleiern sah er den Hafen und die Küste, Boote an Kais, sogar eine Möwe auf einer winzigen Insel, die in grauen Wolken verschwand, wie in einem Traum. In der Ferne glaubte er, eines der königlichen Schiffe zu erkennen, die tags zuvor an der kunstvoll inszenierten Seeschlacht teilgenommen hatten. Vermutlich bewachte es den Hafen, solange der Prinzregent in Brighton residierte.
Abgesehen von der Gegenwart eines Kriegsschiffs, das Erinnerungen an Gefahren heraufbeschwor, wirkte die Szenerie idyllisch. Nichts erregte den Verdacht, eine Frau könnte in tödlicher Gefahr schweben - oder Joanna wäre in der Nähe.
Vielleicht irrte er
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