Insel meiner Traeume
hat.«
»Also, das ist eine sehr gute Idee.«
Seufzend wandte er sich ab und schlenderte davon. Zu ihrer eigenen Verblüffung fühlte sie sich im Stich gelassen.
Um sich zu fassen, holte sie tief Luft. »Wie gut kennen Sie meinen Bruder?«
Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, stand er am anderen Ende der Kabine. »Nicht allzu gut. Ein paar Mal trafen wir uns bei offiziellen Anlässen, dann besuchte er mich, um zu verkünden, er würde gern nach Akora segeln. Selbstverständlich betonte ich, das sei ausgeschlossen. Nicht einmal im Traum dürfe er daran denken. Leider hörte er nicht auf mich.«
»Zu dieser Reise entschloss er sich nicht aus einer Laune heraus. Zweifellos hatte er gute Gründe - die er mir aber nicht anvertraute. Er versprach, er würde zu Weihnachten nach Hause kommen. Doch ich wartete vergeblich auf ihn. Seither sind sechs Monate vergangen, und er wird immer noch vermisst.«
»Ich habe Akora vor gut drei Monaten verlassen. Damals wurde kein Engländer erwähnt, der versucht hätte, sich Zugang zu verschaffen. Auch in der Zwischenzeit erfuhr ich nichts dergleichen.«
Qualvoll krampfte sich ihr Herz zusammen. Wieder einmal mit der Angst konfrontiert, die sie Tag und Nacht verfolgte, wisperte sie: »Ich glaube nicht, dass mein Bruder tot ist.«
»Aber Sie rechnen mit dieser Möglichkeit?«
»Nein. Es ist schwer zu erklären - jedenfalls fühle ich, er muss irgendwo auf Rettung warten.«
Eine Zeit lang schwieg Darcourt, bevor er mit ungewohnt milder Stimme bemerkte: »Also werden wir ihn suchen.«
Sie nickte und kämpfte mit den Tränen. Nach der wachsenden Sorge in den vergangenen Monaten und den Ereignissen der letzten Tage war sie nahe dran, ihre Fassung zu verlieren. Plötzlich wurde sie von ihrer Erschöpfung überwältigt. Ohne es wahrzunehmen, schwankte sie. Mit wenigen Schritten eilte Darcourt zu ihr und hielt sie fest.
Obwohl seine Stimme immer noch frostig klang, umfasste er ihren unverletzten Arm erstaunlich sanft. »Nun haben Sie genug durchgemacht. Bis zur Ankunft auf Akora finden wir noch reichlich Zeit für weitere Lektionen.«
»Wirklich, es geht mir gut. Ich bin kein zimperliches, kleines Mädchen mit weichen Knien. So dürfen Sie mich nicht einschätzen, Sir. Immerhin verwalte ich das Landgut meiner Familie, und alle unsere Leute meinen, ich sei sehr tüchtig und verantwortungsbewusst.« Sie lachte gezwungen und erschrak, weil sie beinahe geweint hätte.
»Mag sein. Trotzdem sollten Sie sich jetzt ausruhen.«
Dass er ihr einen vernünftigen Vorschlag machte, gab sie nicht zu. Sie wollte wie üblich stark sein und einen klaren Kopf behalten. Natürlich musste sie sofort erfahren, welche Probleme auf sie zukamen, und was sie tun sollte, um sie zu lösen.
Aber was sie wünschte und wozu sie imstande war, ließ sich nicht vereinbaren. Sie merkte es kaum, als er sie zum Bett führte und über ihre Wange strich, bevor er zur Tür hinausging.
Gleichförmig verstrich eine knappe Woche. Jeden Tag kam Darcourt drei Mal zu Joanna und brachte ihr etwas zu essen. Ansonsten sah sie ihn nur selten, und was sie besprachen, beschränkte sich auf höfliche Konversation.
Nach einer Weile akzeptierte er ihre Beteuerung, sie könne sich selbst um die Wunde kümmern und den Verband wechseln. Dass er ihr das zugestand, erfüllte sie mit einer seltsamen Mischung aus Erleichterung und Bedauern. Mochten seine Berührungen auch noch so unpersönlich wirken - sie verwirrten und beunruhigten Joanna. Gleichwohl musste sie dauernd an ihn denken und fühlte sich einsam.
Wie sie inzwischen herausgefunden hatte, schlief er an Deck. Manchmal hörte sie ihn mit seinen Männern reden, und allmählich erlernte sie die fremde Sprache. Das Akoranische unterschied sich vom Griechischen, das sie kannte. Aber es gab ähnliche Ausdrücke. Mit der Zeit verstand sie einzelne Wörter und schließlich sogar ganze Sätze.
Sie durfte nicht an Deck gehen. Darüber ärgerte sie sich -wenn sie ihren Unmut angesichts ihrer komfortablen Situation auch kleinlich fand.
Offenbar war das Deck den Männern Vorbehalten. Alex hatte ihr unmissverständlich erklärt, keiner Frau, weder einer Xenos noch einer Akoranerin, sei es gestattet, in die traditionellen Domänen der Männer einzudringen. Damit erinnerte er Joanna an die Clubs, die in England so beliebt waren, nicht nur in gehobenen Kreisen, sondern in allen Gesellschaftsschichten. Ob sich die Männer in luxuriösen Londoner Häusern oder in den Ecken verqualmter
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