Insel meiner Traeume
dass die Männer in diesem Land Krieger sind?« Mit einem Lächeln schwächte er den Sarkasmus ab. Auch das gehörte zum akoranischen Lebensstil. Niemals würde ein Krieger eine Frau verletzen, nicht einmal mit Worten.
»Ich will dich begleiten«, wiederholte sie.
»Nein, Joanna...«, begann er, die tiefe Stimme sanft, aber unerbittlich. »Ich kann dich nicht mitnehmen, das weißt du.«
»Gar nichts weiß ich. Nun bin ich schon so weit gekommen. Von London bis nach Akora. Warum darf ich nicht mit dir gehen?«
Seufzend verdrehte er die Augen. »Weil es zu gefährlich wäre. Das ist dir ebenso klar wie mir.«
»Verstehst du denn nicht, wie schrecklich das für mich ist? Untätig herumzusitzen, während du das Risiko ganz allein trägst... Das halte ich nicht aus!«
»Weil du eine starke Frau bist und ein ausgeprägtes Ehrgefühl besitzt. Aber du vergisst, dass ich für Kämpfe ausgebildet wurde. Das ist mein Beruf. So wie andere Männer Bauern, Schafhirten, Schreiber oder Waffenschmiede sind.«
»Gewiss, du bist ein Krieger...«, würgte sie hervor. Offenbar fand er es völlig normal, dass er gelernt hatte zu töten und seine Männer auf Schlachtfelder zu führen. Für ihn war es selbstverständlich. Und er würde seine Pflicht tun, immer und überall - sogar um den Preis seines Lebens. »Als Kassandras Begabung zum Vorschein kam, wurde ihr Name geändert. Warum hat man nicht auch dich umgetauft?«
Obwohl er wusste, dass ihm die Antwort missfallen würde, fragte er vorsichtig: »Was meinst du?«
»Nun, man sollte dich natürlich Hektor nennen. Das hätte ich schon früher erkennen müssen. Er war so wie du.
Unbeirrbar widmete er sich seiner Pflicht und Ehre, weihte sein Leben den Gesetzen des Kriegers - und starb daran, weil sich andere Männer nicht so edel verhielten.«
Sie hatte ihn ärgern wollen - zum Teufel mit dem Preis, den sie dafür zahlten müsste... Aber er verwirrte sie wieder einmal. Seine Augen funkelten leicht belustigt: »Nein, du darfst mich nicht mit dem bedauernswerten trojanischen Prinzen vergleichen, den Achilles getötet hat. Hektors Name wird vom Glanz der Legende vergoldet, und vielleicht steckte irgendwo hinter all dem Ruhm ein Mann aus Fleisch und Blut. Doch ich bezweifle, dass er sich selbst gekannt hat.«
»Auch du würdest für die Pflicht sterben - das kannst du nicht abstreiten!« Ebenso wenig vermochte sie das Grauen zu verleugnen, das der Gedanke an seinen Tod weckte. Und sie hatte weder das Recht noch einen Grund, etwas anderes in ihm zu sehen als eine Erinnerung, die in künftigen Jahren ihr Herz erwärmen würde...
»Dazu wäre ich bereit. Aber glaub mir, viel lieber würde ich meinem Gegner helfen, für seine Pflicht das Zeitliche zu segnen.« Nun erlag er der Versuchung, die immer unwiderstehlicher geworden war, und berührte Joannas Wange. »Hast du etwa Angst um mich, Lady?«
»Mach dich nicht lustig darüber!«
»Nichts würde mir ferner liegen«, beteuerte er.
Oh, diese verführerische, tiefe, heisere Stimme...
Er neigte sich hinab und streifte ihre Lippen mit seinen, nur ganz leicht - bis ihn die Leidenschaft übermannte. Erst vor wenigen Stunden gelöscht, flammte das Feuer wieder auf und überraschte sie beide. Plötzlich lag Joanna an Alex’ Brust und umschlang seinen Hals. Ihr Mund verschmolz mit seinem, erhitzte Körper pressten sich aneinander. Zwischen ihnen wehte das Laken - völlig unbeachtet - im Wind, der durch die hohen Fenster hereinwehte.
»Bei allen Göttern im Himmel...«, flüsterte er. Seine rauen, schwieligen Hände glitten über die seidige Haut ihres Rückens zu den Hüften hinab. »In deiner Nähe vergesse ich alles andere.«
»Und ich kann keinen klaren Gedanken fassen, wenn du mich küsst...« In ihren Armen fühlte er sich wie warmer Stahl an. Ja, dass musste sie in ihrem Gedächtnis verwahren - und sich auch entsinnen, wie er auf dem Schlachtfeld ausgesehen hatte, ein perfekter Krieger mit tödlichen Fähigkeiten. Und hinter dem Kampfgeist ein hellwacher Verstand, so scharf wie jede Klinge...
Nicht Hektor - bitte, lieber Gott.
Die Schwertscheide an seinem Gurt drückte sich in seinen Oberschenkel, so wie das Pflichtgefühl den Nebel in seinem Gehirn durchdrang. Abrupt ließ er Joanna los, und sie sah, wie die Vernunft in seinen Blick zurückkehrte, wie er seine Selbstbeherrschung zurückgewann.
»Bleib im Palast oder in der Nähe.« Seine Stimme klang wieder fast normal. »Wenn es möglich ist, schicke ich dir eine Nachricht.«
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