Insel meiner Traeume
aus Stein gemeißelte Muskeln hinab. In seinem Nacken kräuselte sich ebenholzschwarzes feuchtes Haar, Seifenschaum milderte teilweise die harte Linie seines Kinns. Die andere Hälfte war glatt und frisch rasiert. Während Joanna ihn betrachtete, erwachte plötzlich eine Erinnerung - seine raue Haut an ihren Brüsten in den stillen Stunden der Nacht. Staunen über sich selbst, über ihn, über sie beide drohte sie zu überwältigen, wurde aber von einem stärkeren, viel wichtigeren Gefühl verdrängt.
»Soeben habe ich gesehen, wo Royce ist.«
Einige Sekunden lang starrte er sie im Spiegel an, bevor er nickte. Er sah ihr bleiches Gesicht, von zerzaustem honigblondem Haar umrahmt, die seidene Decke, die sie an ihren Körper presste - die nicht allzu viel verhüllte.
Unweigerlich regte sich sein Körper. Das Messer in der Hand, beendete er seine Rasur so schnell wie möglich. Dann nahm er ein Handtuch aus einem Regal. Seine Gedanken überschlugen sich. Seit er erwacht war, fragte er sich, was er ihr sagen und was er tun sollte. Mit solchen Problemen beschäftigte er sich zum ersten Mal. Aber er hatte auch noch nie eine Frau wie Lady Joanna Hawkforte gekannt. Für ihn waren die Frauen einfach nur amüsant gewesen. Sonst nichts. Nach diesem Prinzip hatte er stets gehandelt und kein einziges Mal die Kontrolle verloren. Jetzt war alles anders. Die Realität der letzten Liebesnacht verblüffte ihn - und ermahnte ihn zur Vorsicht. Ehe er sich zu Joanna wandte, bemühte er sich um eine ausdruckslose Miene.
»Setz dich und erzähl mir, was du gesehen hast«, bat er und wischte den Seifenschaum aus seinem Gesicht. Sie merkte nicht, dass sie vor lauter Aufregung vergessen hatte, das Laken um ihren Körper zu wickeln. So bot sie Alex den verführerischen Anblick ihres makellosen Rückens, langer, schlanker Beine und eines wohlgeformten Hinterteils, während er ihr ins Schlafzimmer folgte. Nachdem er tief durchgeatmet hatte, wies er auf einen Sessel neben dem Tisch.
»Royce wird in einer Zelle mit einem vergitterten Fenster gefangen gehalten«, erklärte sie, die Finger in das Laken gekrallt. »Davor sah ich einen Graben und einen steinernen Wall, eine Wiese, die zu glänzendem Wasser hin abfiel, und auf der anderen Seite einen schlanken Turm aus weißem Stein.«
»Auf der anderen Seite der Wiese?«
»Nein, am gegenüberliegenden Ufer. Den Turm konnte ich kaum ausmachen.« Die Augen voller Sorge, schaute sie zu ihm auf. »Mein Bruder ist völlig entkräftet, von Schmerzen gepeinigt und der Verzweiflung nahe. Aber er lebt. Zumindest heute. Wer weiß, wie lange noch?« Ihre Stimme brach, und sie senkte den Kopf - ein erfolgloser Versuch, ihre Angst zu verbergen.
Alex ballte die Hände - die einzige Möglichkeit, Joanna nicht in die Arme zu reißen. Sosehr er auch glauben wollte, er hätte sich immer noch hinlänglich in der Gewalt, um sie nur festzuhalten und zu trösten - er wusste es besser. Außerdem drängte die Zeit. Mit langen Schritten eilte er zu einer Truhe und nahm eine Tunika heraus. »Jetzt darfst du nicht allein bleiben. Ich schicke Kassandra zu dir.«
»Warum?« Abrupt blickte sie auf. »Wohin gehst du?«
»Zu Atreus - ich muss mit ihm reden«, entgegnete er und schlüpfte in die Tunika.
Ihr Mund wurde trocken. Lieber Gott, hilf mir, ich brauche meinen klaren Verstand... »Kennst du den Ort, den ich beschrieben habe?«
»Vielleicht.« Nach kurzem Zögern ergriff er seinen Schwertgurt und legte ihn an. »Immerhin ein Fortschritt, Joanna. Daraus solltest du Hoffnung schöpfen.«
Hoffnung? Viel zu zaghaft, kein Ersatz für Taten. »Ich begleite dich!«, rief sie und sprang auf. Beinahe wäre sie über das Laken gestolpert. »Sicher kann ich dir helfen. Je näher ich an Royce herankomme, desto eher werde ich ihn finden.«
Alex nahm sein Schwert vom gewohnten Platz auf einer Truhe neben dem Bett. Er vergewisserte sich, dass der Griff blitzschnell in seine Hand glitt. Heller Stahl schimmerte im Morgenlicht. Dann steckte er das Schwert in die Scheide zurück und befestigte sie an seinem Gurt. Dies alles geschah innerhalb weniger Sekunden. Verwirrt starrte Joanna die Waffe an. Wann hatte sie Alex mit einem Schwert gesehen? Ein Dolch gehörte zu seiner üblichen Aufmachung. Aber ein Schwert? Außerhalb des Exerzierplatzes?
»Willst du kämpfen, Alex?«
Ohne mit der Wimper zu zucken, erwiderte er ihren Blick. »Wie gesagt - ich gehe zu Atreus.«
»Mit einem Schwert?«
»Ist es deiner Aufmerksamkeit entgangen,
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