Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
danach, ihn an meiner Seite zu haben, meine Entdeckungen mit ihm zu teilen und gemeinsam mit ihm über den Fragen zu brüten, die die Welt mir stellte.
Eines schönen und hellen Tages, als das Wetter sich beruhigt hatte und die Luft bereits mild war, ritt ich auf Speckle zur Südküste. Die Aussicht dort ist bemerkenswert, denn die weiten, weißen Strände erstrecken sich ununterbrochen über viele Meilen hinweg. Ich beobachtete die gewaltig anschwellenden, glasglatten Wellen, die, gewaltigen Garnspulen gleich, den Rand meiner Welt markierten. Ich stieg vom Pferd, schnürte meine Stiefel auf, zog auch meine gestrickte Kniehose aus und ließ meine Füße vom Meeresschaum benetzen. Ich führte die Stute an der Wasserlinie entlang, wanderte mit dem Blick über weiße Muscheln, die aussahen wie Engelsflügel, und über ausgeblichene, hauchzarte Knochen, die offenbar von einem Meeresvogel stammten. Dort im Sand lagen Muschelschalen in den verschiedensten Farben und Größen – warmes Rot und Gelb, kühle, getüpfelte Grautöne –, und ich grübelte über die Vielfalt in Gottes Schöpfung nach und fragte mich, was er wohl im Sinn gehabt hatte, als er von ein und derselben Sache so viele verschiedene Arten schuf. Wenn er Muscheln nur zu unserer Ernährung gedacht hatte, warum hatte er dann jede einzelne Muschel mit so schönen und besonderen Farben bemalt? Und warum hatte er überhaupt so viele verschiedene Dinge geschaffen, um uns zu ernähren, wo doch in der Bibel stand, einfaches Manna sei für das Volk Israel sein täglich Brot gewesen? Vielleicht hatte Gott uns ja absichtlich mit all unseren Sinnen ausgestattet, damit wir die Dinge seiner Welt genießen konnten, ein jedes mit seinem eigenen Geschmack und Aussehen, ein jedes in seiner ihm eigenen Beschaffenheit. Andererseits schien dies so vielen unserer Predigten zu widersprechen, die sich gegen Unmäßigkeit und Fleischeslust wandten. So in Gedanken verloren, war ich mit gesenktem Kopf ein ganzes Stück gegangen, ohne auf etwas anderes zu achten, als ich mit einem Mal aufschaute und sie in der Ferne sah: eine Gruppe von Rothäuten, die eigentümlich bemalt waren, wie sie es wohl taten, wenn sie in den Krieg zogen. Sie liefen vor mir den Strand entlang und kamen direkt auf mich zu. Ich packte Speckle am Zügel und lenkte sie hastig in die Dünen hinein, die so hoch und wellig waren, dass man sich gut darin verstecken konnte. Ich verfluchte mich für meinen Leichtsinn, ganz allein hierhergekommen zu sein, wo mir niemand helfen konnte und mein Pferd vom anstrengenden Ritt bereits erschöpft war. Meine Stiefel hatte ich mir an den Schnürsenkeln um den Hals gehängt, doch die Kniehose war aus meiner Hand gerutscht, als ich mich an dem Pferd zu schaffen machte, und so musste ich zusehen, wie mehrere Stunden Arbeit und einige Knäuel rares, gutes Garn ins Meer geweht wurden.
Im Schutz der Dünen, wo es windstill war, trug die Brise die Stimmen der Rothäute zu mir herüber. Sie lachten und riefen sich etwas zu. Es waren fröhliche Stimmen, nicht die Stimmen von Kriegern. Ich achtete darauf, dass Speckle gut verborgen blieb, ließ mich auf den Bauch fallen und kroch auf eine Lücke zwischen den sandigen Hügeln zu, von wo aus ich zurück zum Strand schauen konnte. Und ich sah, was mir im ersten Schreck entgangen war: Die Männer waren unbewaffnet und trugen weder Pfeil und Bogen noch ein Kriegsbeil. Ich hob eine Hand über die Augen, um sie vor der gleißenden Sonne zu schützen, und konnte jetzt einen kleinen Ball aus zusammengenähten Tierhäuten erkennen, den sie sich zukickten – offenbar eine Art Spiel. Doch ich musste den Blick gleich wieder abwenden, denn alle waren nackt, wie Gott sie geschaffen hatte, bis auf einen kleinen Lendenschurz aus Fell, den sie an einem Band um ihre Taille befestigt hatten. Dennoch konnte ich nicht umhin, sie verstohlen zu beobachten. Sie waren alle im Alter von Makepeace, vielleicht ein wenig älter, aber von der Statur her ganz anders – ein vollkommen anderer Menschenschlag. Makepeace, der so wenig wie möglich auf dem Feld arbeitete und es sich nicht verkneifen konnte, ab und zu aus der Zuckerdose zu naschen, wenn er sich unbeobachtet fühlte, hatte eine milchweiße Haut und schmale Schultern, einen weichen Bauch und ein bedauernswert schlechtes Gebiss.
Diese jungen Männer jedoch waren alle sehr groß, mit straffen Muskeln, schmalen Hüften und breiter Brust, und ihr langes schwarzes Haar flatterte um ihre Schultern. Die Farbe,
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