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Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Titel: Insel zweier Welten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraldine Brooks
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mit der sie sich die Körper bemalt hatten, musste viel Fett enthalten, denn sie glänzten und schimmerten im Sonnenlicht, und wenn sie rannten, sah man deutlich das Muskelspiel ihrer Oberschenkel.
    Zum Glück waren sie so sehr mit ihrem Spiel beschäftigt, dass sie mich nicht bemerkten. Ich führte Speckle noch ein Stück weiter weg, bis ich sicher sein konnte, hinter den Dünen nicht mehr gesehen zu werden, wenn ich auf das Pferd stieg. Dann spornte ich sie mit den bloßen Fersen zu einem leichten Galopp an. Wir bewegten uns vom Strand weg und kamen am Rande eines der Gezeitentümpel vorbei, die sich vom Meer aus ein Stück weit ins Landesinnere erstrecken. Schließlich war ich nicht ohne Grund hergekommen und musste genügend Muscheln für unseren Suppentopf zusammensammeln. Als ich eine gewisse Entfernung zum Strand zurückgelegt hatte, band ich Speckle deshalb an ein Stück Treibholz, zog die Muschelharke aus der Satteltasche, raffte die Röcke und watete ins Wasser. Schon bald merkte ich, dass es sich um keinen besonders guten Muschelgrund handelte, denn in meiner Harke blieben nur wenige Meeresfrüchte hängen, die es wert waren, in meinem Korb zu landen. Gerade wollte ich aufgeben und es an einer anderen Stelle versuchen, als ich spürte, dass jemand seinen Blick auf mich heftete. Ich richtete mich auf, drehte mich um und sah ihn zum ersten Mal – den Jungen, den wir heute Caleb nennen.
    Er stand in einem Dickicht aus hohem Strandgras, den Bogen über eine Schulter gelegt. In dem Beutel auf seinem Rücken hing schlaff ein erlegter Wasservogel. Etwas – vielleicht der Ausdruck auf meinem Gesicht, vielleicht auch mein hektisches Zupfen an meinem Rock, der sich zwar im Wasser ausbreitete und meine Schicklichkeit wahrte, dabei aber durch und durch nass wurde – schien ihn zu amüsieren, denn er lächelte. Er war, wie ich schätzte und wie sich später auch als zutreffend herausstellte, in meinem Alter und vielleicht zwei oder drei Jahre jünger als die Krieger, die am Strand mit ihrem selbst genähten Ball spielten. Im Gegensatz zu ihnen war er für die Jagd gekleidet und trug einen Lendenschurz aus Rehfell mit einem Gürtel aus Schlangenleder, an dem eine Fellüberhose befestigt war. Die Oberarme zierten eine Reihe von Armbändern, die geschickt aus lila und weißen Muschelperlen geflochten waren. Alles andere an ihm war nackt und bloß, bis auf drei glänzende Federn, die er zu einer Art Kopfschmuck gebunden und in sein dickes, pechschwarzes Haar gesteckt hatte, das sehr lang und streng aus dem kupferfarbenen Gesicht gestrichen war. Hinten hatte er es zu einer Art Pferdeschwanz gebunden. Sein Lächeln war offen, seine Zähne sehr gerade und schneeweiß, und etwas an seinem ganzen Gebaren machte es unmöglich, sich vor ihm zu fürchten. Dennoch hielt ich es für vernünftig, mein Pferd zu holen und so schnell wie möglich diesen Ort zu verlassen, an dem es offenbar von allen möglichen Wilden nur so wimmelte. Wer konnte schon sagen, was für sonderbare Gestalten hier noch auftauchen mochten?
    Ich hob meinen durchnässten Rock an und lief ans Ufer. Dabei verfing sich mein Zeh jedoch unglücklich in einem Strang Seetang, und ich fiel ins Wasser, wobei ich auch noch die wenigen Muscheln, die ich gesammelt hatte, verlor und sowohl meine Ärmel als auch das Wams durchnässt wurden. Sie waren nun genauso tropfnass wie mein Rock. Mit wenigen langen Schritten war der Indianerjunge bei mir, packte mich mit einer harten, braunen Hand am Unterarm und zog mich aus dem Wasser.
    Ich forderte ihn in seiner Sprache auf, mich loszulassen, und er zog prompt die Hand zurück. Tropfnass machte ich mich auf den Weg ans Ufer. Er blieb, offenbar vor Erstaunen, wie angewurzelt stehen. Nun war ich an der Reihe, mir ein Lächeln zu verkneifen. Ich glaube, es hätte ihn kaum mehr überrascht, wenn mein Pferd das Wort an ihn gerichtet hätte.
    Nach kurzem Zögern folgte er mir aus dem Wasser und begann mit einer wahren Flut von Silben auf mich einzureden, von denen ich allerdings nur ein paar verstand. Mein Vater hatte mir gesagt, die Rothäute liebten jeden, der sich in ihrer Sprache ausdrücken könne. Dieser Junge rief unablässig und zu meinem großen Unbehagen: »Manitou, Manitou!«, was in ihrer Sprache das Wort für Gott oder für etwas Gottgleiches, Wundersames ist.
    Ganz langsam, in meinen einfachen Worten, versuchte ich ihm zu erklären, es sei gar nichts so Außergewöhnliches an der Tatsache, dass ich ein paar Brocken von

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