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Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Titel: Insel zweier Welten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraldine Brooks
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Bett. Sie war schweißgebadet, ihr Rock blutgetränkt.
    »Habt Ihr schon nach einer Hebamme geschickt?«, fragte ich rasch.
    »Hebamme?«
    »Ja, Hebamme. Das Mädchen hatte offenbar eine Fehlgeburt.«
    »Aber sie … das würde ja …«
    »Master Corlett, schickt einen Jungen die Hebamme holen, bevor die Kleine hier zu viel Blut verliert …« Fast hätte ich gesagt, »und stirbt«, biss mir aber auf die Zunge, als ich die Angst auf Annes Gesicht sah. Ich kannte den Anblick, der sich mir bot, denn genau das hatte ich selbst als Mädchen erlebt: meine Mutter, wie sie mit entsetzten Augen aufschrie, am Tisch nach Halt suchte, zum Bett wankte, eine Blutspur hinter sich herziehend. Die Ankunft von Goody Branch, das leise Stöhnen, die erstickten Stimmen, und ein kleines, blutiges Bündel, das weggebracht wurde. Er lag lange zurück jener Nachmittag, an dem meine Mutter ein missgebildetes, totes Kind zur Welt gebracht hatte, ein Kind, um das wir nie getrauert und das wir nicht einmal in unsere Gebete eingeschlossen hatten. Doch ich hatte keine Einzelheit davon vergessen – weder das, was gesagt, noch das, was getan worden war.
    »Schickt einen anderen Jungen zum Apotheker. Er soll etwas Mutterkorn holen, falls die Hebamme keins zur Hand hat … Bringt frisches Leinen und warmes Wasser aus dem Kessel auf dem Herd und etwas kaltes in einer Schüssel, und dann lasst mich bitte mit dem Mädchen allein …«
    Ich spürte die Aufregung, die alle erfasst hatte, hörte wie in der Diele leise Befehle erteilt wurden. Ich zog Anne den blutbefleckten Rock und ihre Unterwäsche aus und legte ihr ein Polster unter die Beine. Als das Linnen und die Schüsseln mit Wasser kamen, schnitt ich das Leintuch in passende Stücke, um die Blutung, so gut ich es vermochte, zu stillen. Anne wurde erneut von einer Wehe erfasst, und mir blieb nur noch, ihr die Hand zu halten. Ich legte ihr eine kühle Kompresse auf die Stirn und badete ihre blutüberströmten Beine mit dem warmen Wasser. Dann begann ich zu beten.

XVII
    Bis der Junge die Hebamme gefunden und sie hergeführt hatte, waren die schlimmsten Krämpfe vorbei. Ich wickelte das, was Annes Leib von sich gegeben hatte, in ein Stück Leinen, während das Mädchen kraftlos und keuchend auf dem Bett lag. Ihre dunkle Haut war so bleich wie Gips. Die Hebamme, deren Name Goody Marsden lautete, war eine dürre, drahtige Person mittleren Alters. Sie wirkte sehr streng, ganz anders als die stets freundliche Goody Branch. Als sie ihre Handschuhe auszog, bemerkte ich, dass ihre Fingernägel nicht sauber waren. Ich hielt ihr eine Schüssel mit warmem Wasser hin, das sie kaum benutzte. Sie schonte Anne nicht, sondern untersuchte sie recht grob und ohne ein freundliches Wort. Als das Mädchen einmal aufschrie, weil sie ihr mit ihren forschen, klauenähnlichen Händen wehgetan hatte, bellte sie barsch: »Sei still. Hast schon genug für unschickliches Aufsehen gesorgt.«
    Dann wandte sie sich an mich und fragte, ob ich einschätzen könne, wie viel Blut das Mädchen verloren habe. Ich erklärte ihr, es sei wohl eine beträchtliche Menge gewesen. »Sie braucht eine Brühe – eine wirklich gute und starke Brühe! – und etwas Wein mit Wasser. Und sie soll sich ausruhen. Einen bleibenden Schaden hat sie wohl nicht erlitten.« Bei diesen Worten stieß ich einen Seufzer der Erleichterung aus, worauf sie mich scharf ansah und mit verkniffenen Lippen hinzufügte: »Zumindest nicht an ihrem Körper.«
    Gerade wollte ich in die Küche gehen und schauen, ob ich alles für eine gute Brühe dahatte, als sie mir eine knochige Hand auf den Arm legte und mit dem Kopf auf das Bündel wies, das noch in der Ecke lag. Ich holte es und wandte mich mit dem Rücken zum Bett, damit Anne es nicht sehen konnte. Goody Marsden schlug das Leintuch auf und untersuchte einen Moment lang den wachsbleichen, blutigen Inhalt, dann schlug sie das Tuch wieder darüber. »Verbrenn es«, sagte sie und spähte mich dabei mit ihren braunen Augen an, die aussahen wie harte, glänzende Kiesel. »Tut es jetzt gleich. So ist es das Beste.«
    Später an diesem Nachmittag bereute ich bereits, dass ich ihre Anweisungen so schnell befolgt hatte, denn zu diesem Zeitpunkt war das Gerede schon heftig in Gang gekommen, und das Beweisstück, das ihnen allen vielleicht das Maul gestopft hätte, war längst zu Asche erkaltet. Begriffe wie »Sündenpfuhl« und »ungezügelte Heiden« machten die Runde, bis das Geflüster zu einem lauten Getöse geworden war und

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