Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
jegliche Hoffnung, die Angelegenheit geheim zu halten und irgendwann im Sande verlaufen zu lassen, dahin war.
Als mir zu Ohren kam, Caleb und Joel stünden in dringendem Verdacht, das Mädchen in diesen unglückseligen Zustand gebracht zu haben, ging ich schnurstracks zum Master und klärte ihn über die wahren Hintergründe auf, wie sie sich mir darstellten. Das Gespräch über diese wenig appetitliche Angelegenheit war die peinlichste Unterredung, die ich in meinem ganzen Leben geführt hatte, zumal Samuel Corlett dabei nicht von seines Vaters Seite wich. Das Gespräch fand im Klassenzimmer statt, da Anne das Bett des Masters belegte. Dieser hatte Makepeace, der immer noch in der Schule wohnte, gebeten, mit den Jungen ins Gemeindehaus zu gehen und sie beim Lernen zu beaufsichtigen, während ich alle Hände voll zu tun hatte, die blutigen Tücher und das Bettzeug zu waschen.
Ich nahm auf einer Bank Platz und wand mich unruhig unter ihrem Blick wie ein Schüler, der mit einer Standpauke rechnet. Ich starrte auf die Hände in meinem Schoß, die vom vielen Waschen ganz runzlig waren, und brachte vor, was mich so bewegte.
»Bist du dir ganz sicher?«, fragte Master Corlett. Ich spürte, wie seine Augen und die seines Sohnes ernst auf mir ruhten. »Ich weiß, dass diese Jungen dir sehr viel bedeuten. Vielleicht möchtest du sie ja beschützen, sozusagen in Gedenken an deinen Vater als ihrem Förderer und erstem Lehrer …«
Ich unterbrach ihn, was vielleicht unhöflich war, doch es stand auch sehr viel auf dem Spiel.
»Herr, der Zustand dessen, was der Leib des Mädchens von sich gegeben hat, lässt keinen Zweifel zu. Sie trug die Leibesfrucht bereits, als sie hierherkam. Dessen bin ich mir sicher.« Dennoch dachte ich an ihre schmale Taille zurück, an ihren wiegenden Gang, als sie an jenem allerersten Morgen den Gartenweg entlanggegangen war. Andere würden sich vielleicht auch daran erinnern und sich ebenfalls wundern. Wenn sie seither etwas runder um die Leibesmitte geworden war, so hatte ich es nur darauf geschoben, dass sie bei uns mehr zu essen bekam und ein ruhigeres Leben führte. Doch das kleine Wesen, das ich an diesem Nachmittag dem Feuer überantwortet hatte, war größer als meine Faust und bereits ganz ausgebildet gewesen. Ich hatte genug Stunden bei Goody Branch zugebracht, um zu wissen, dass ein Kind im Mutterleib erst vier oder gar fünf Monate nach der Zeugung menschliche Formen annimmt.
»Es ist ausgeschlossen, dass Caleb oder Joel, oder irgendeine andere männliche Person an dieser Schule diese schändliche Tat begangen haben.« Diese letzte Bemerkung ließ ich ganz ruhig und beiläufig fallen, um Master Corlett begreiflich zu machen, dass der Schatten eines solchen Verdachts schließlich nicht nur auf die beiden jungen Indianer fallen würde. »Auch können wir weder ihren englischen Ziehvater noch die Polizisten oder Soldaten dessen bezichtigen, die sie schließlich bereits vor mehreren Monaten inhaftiert hatten. Es ist meine feste Überzeugung – nein, meine Gewissheit –, dass das Mädchen irgendwann etwa ein bis zwei Monate, bevor sie hierherkam, geschwängert wurde, in der Zeit, während sie jene Nachbarschaftsschule besuchte.«
»Aber das kann nicht sein. Damals wohnte sie beim Gouverneur – in seinem eigenen Haushalt.«
»Genau das.«
»Bethia, passt auf, was Ihr sagt.« Es war Samuel, der das Wort ergriffen hatte. »Das ist ein schwerwiegender Vorwurf.«
»Glaubt Ihr denn, ich wüsste das nicht? Ich sage das nicht leichthin, sondern weil ich es muss. Auch wenn ihr Zustand noch nicht sichtbar war, trug sie ein uneheliches Kind unter dem Herzen, als sie hierherkam. Begreift Ihr denn nicht, dass auch der Ruf Eures Vaters – und der seiner Schule – auf dem Spiel stehen, wenn draußen fälschlicherweise geglaubt wird, die Sünde sei unter diesem Dach begangen worden?«
»Nun«, sagte Master Corlett verdrossen, »niemand würde mir einen Vorwurf machen, wenn die Fleischeslust junger Wilder einfach so stark gewesen wäre, dass ich außer Stande war, sie im Zaum zu halten.«
Ich sprang empört auf. »Master Corlett!«
Der Zorn und der Abscheu, die ich empfand, standen mir offenbar ins Gesicht geschrieben, denn er schien einzulenken. Sein Sohn streckte eine Hand aus und legte sie schützend auf die Schulter seines Vaters. Dabei schaute er mich kalt an, weil es ihm offenbar nicht gefiel, wie ich mich seinem Vater, meinem Herrn, gegenüber gebärdete. Die schwarzen Augen
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