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Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Titel: Insel zweier Welten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraldine Brooks
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glänzten.
    »Wird Goody Marsden diese Auffassung bestätigen?«, fragte er. »Man kann nur hoffen, dass sie das tun wird, denn Ihr seid keine Hebamme, ja noch nicht einmal …« Er errötete und sprach nicht weiter.
    »Da sie gesehen hat, was ich sah, hege ich keinen Zweifel daran.«
    »Und was ist mit dem Mädchen? Ganz gewiss zählt doch ihre Aussage in dieser Sache mehr als jeder Beweis. Was sagt sie denn, wer sie zur Hure gemacht hat?«
    »Ich weiß es nicht. Ich habe noch nicht mit ihr darüber gesprochen. Ich hielt es für besser, dass sie sich ausruht, statt sie in ihrem Kummer mit einem solch betrüblichen Thema zu belangen.«
    »Wenn es so ist, wie Ihr sagt, dann wird sie es nicht zugeben.« Samuels Stimme war so kalt wie seine Augen.
    »Warum denkt Ihr das?«
    »Ihr sagt, sie sei intelligent. Nun denn. Dann wird sie alles tun, um einen Skandal von einem so angesehenen Haus abzuwenden.«
    Seine Einschätzung sollte sich als richtig erweisen. Anne wollte den Namen des Mannes nicht nennen, der sie entehrt hatte, weder mir gegenüber noch sonst jemandem, selbst als der Master, mit zitternden Händen und Kopfschütteln sagte, wenn sie dies nicht tue, komme die Angelegenheit gewiss dem großen Gericht zu Ohren, und sobald sie wieder halbwegs auf den Beinen sei, müsse sie damit rechnen, vor Gericht gerufen zu werden und diesen harten Männern Rede und Antwort zu stehen. »Und du kannst dir sicher sein, dass sie die Wahrheit herausfinden werden, selbst wenn sie es für nötig befinden, sie dir auf dem Prügelbock zu entlocken. Davor werden sie nicht zurückschrecken, wenn dein Starrsinn ihnen keine Wahl lässt. Sie werden dich bis aufs Blut auspeitschen.« Bei diesen letzten Worten drückte sie einfach nur das Gesicht ins Kissen und schluchzte so sehr, dass das Bett bebte.
    Samuel Corlett kehrte zu seinen Pflichten am College zurück, während ich noch bei Anne blieb und vergebens versuchte, sie nach den unangebrachten Drohungen des Masters zu beruhigen. Statt die Brühe zu trinken, die sie so nötig gebraucht hätte, hatte sie das wenige, was ich ihr bereits verabreicht hatte, wieder hochgewürgt. Ich war folglich nicht in der Stimmung, Samuel zu treffen, und auch erleichtert, dass sich uns keine Gelegenheit bot, unser unterbrochenes Gespräch fortzusetzen. Dennoch bedrückte es mich, dass er mir beim Gehen nicht einmal eine gute Nacht gewünscht hatte.
    Als es mir endlich gelungen war, das verzweifelte Mädchen ein wenig zu beruhigen, ging ich in die Küche, um die Brühe aufzuwärmen, die schon fast erkaltet war. Gerade wollte ich etwas davon in ihre Schale schöpfen, als Caleb und Joel den Raum betraten. Caleb legte mir eine Hand auf den Arm.
    »Weißt du, was geredet wird?«, flüsterte er. Sein Gesicht war von Kummer verzerrt.
    Ich nickte. »Ich hab ihnen gesagt, dass dieser skandalöse Verdacht vollkommen haltlos ist.«
    »Aber du und die Hebamme, ihr seid die Einzigen, die etwas darüber aussagen können. Sie« – er wies mit dem Kopf in Richtung des Gemachs unseres Masters, und dabei wurden seine Züge weich vor Besorgnis – »will nicht damit herausrücken.«
    »Vielleicht würde sie es tun, wenn ihr ihr dazu ratet.«
    Caleb wandte sich Joel zu.
    »Wie kann ich ihr in dieser Angelegenheit raten?«, flüsterte Joel.
    Der Ausdruck auf ihren Gesichtern sagte mir mehr als alle Worte, wie es um sie bestellt war. Ich verspürte einen Anflug von Neid, der mich sogleich beschämte. Warum sollten sie denn keine Bande der Zuneigung zu dem armen Mädchen geknüpft haben? Ich wandte den Blick ab und machte mir wieder am Suppentopf zu schaffen. Auf einmal schien es mir irgendwie unschicklich, ihnen ins Gesicht zu blicken, denn ihre Mienen verrieten so viel.
    »Man wird ihr keine Ruhe lassen.« Es war Caleb, der das Wort ergriffen hatte.
    »Ich weiß.«
    »Das können wir nicht zulassen, Bethia.«
    »Aber was können wir tun?«
    »Wir müssen sie von hier wegbringen. Wenn wir sie zur Insel brächten, könnte sie in unserem Volk untertauchen und wäre sicher vor ihren Fragen, vor ihrer Verachtung und ihrer Dummheit.« Seine Stimme wurde lauter. Ich drehte mich zu ihm um und legte einen Finger an die Lippen, um ihn daran zu erinnern, wo wir uns befanden.
    Die Insel war immer schon ein Refugium für Wampanoag auf der Flucht vor irgendwelchen Schwierigkeiten auf dem Festland gewesen. Schließlich hatte auch mein eigener Großvater mit seinen englischen Gefolgsleuten hier eine neue Heimat gefunden. Die Hitze der Brühe

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