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Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Titel: Insel zweier Welten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraldine Brooks
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nicht ganz, wie ich sie mir verdient habe. Bis auf dieses eine Mal kürzlich hattet Ihr nur eine Gelegenheit, meine Stimme zu hören, und das war, als ich mich in der Gemeindeversammlung selbst bezichtigt habe.«
    Da wandte er sich endlich um. Ein feines Lächeln umspielte seine Lippen. »Aber Ihr tatet es mit solcher Wortgewandtheit. Wer konnte da ungerührt bleiben?«
    »Ich glaube nicht, dass es den Pfarrer freuen würde, wenn er davon wüsste. Die Beichte als Teil einer Werbung. Nein, ich denke, darüber wäre er ganz und gar nicht erfreut.«
    »Der Pfarrer ist mir vollkommen gleichgültig! Euch, Bethia, möchte ich erfreuen. Darf ich das? Wollt Ihr mich?«
    So sehr ich darauf vorbereitet gewesen war – das ging mir nun doch zu schnell. Ich nahm auf der Bank vor dem Lesepult Platz und rang um Fassung.
    »Ich weiß, das kommt sehr plötzlich. Und ich hätte mich ganz bestimmt nicht so sehr damit beeilt, Euch zu umwerben, wenn nicht die Umstände es diktieren würden. Und ich muss Euch der Korrektheit halber sagen, dass ich Euch nichts bieten kann. Mein jährliches Gehalt beläuft sich auf kümmerliche zwölf Pfund im Jahr, und zurücklegen konnte ich davon bisher nichts. Mein Vater ist arm wie eine Kirchenmaus. Die Schule ist alles, was er hat, und er selbst kann kaum davon leben, wie Ihr selbst nur allzu gut wisst. Gerade eben seid Ihr dem Glaser begegnet, dem Sohn des Bruders meiner verstorbenen Mutter. Ihr seht also, welch armselige Familienverhältnisse Euch bei mir winken würden.«
    Mittlerweile ging er rastlos zwischen den Bücherreihen auf und ab. In der Bibliothek war es jetzt bis auf das Knirschen seiner Stiefel sehr still. Doch aus dem Erdgeschoss konnte man laute Stimmen hören. »Eines muss ich Euch noch sagen«, fügte Samuel hinzu. »Selbst wenn Ihr einwilligen und mich zum glücklichsten aller Männer machen würdet, könnten wir nicht gleich heiraten. Ich könnte nur eine Verlobung anbieten, da ein Tutor, wenn er heiratet, automatisch seine Unterkunft am College verliert. Außerdem muss ich den Jungen, die ich in den vergangenen drei Jahren begleitet habe, bis zum Abschluss mit meinen Tutorien zur Seite stehen. Während dieser Zeit werde ich selbst meinen Magister machen. Danach würde ich gern nach Padua gehen, um Medizin zu studieren, doch bislang weiß ich noch nicht, wie ich das Geld dafür aufbringen soll. Ich hoffe auf das Angebot einer Stelle als Lehrer, wenn auch wahrscheinlich noch nicht an der Universität.«
    Er kniete vor mir nieder, sodass unsere Augen, da ich immer noch auf der Bank saß, auf einer Höhe waren. Dann griff er nach meiner Hand. »Wollt Ihr mich nehmen, Bethia, auch unter diesen Bedingungen?«
    Das Blut pochte mir heftig in den Schläfen. Während ich um eine angemessene Antwort rang, wurden die Stimmen, die aus der Halle unter uns heraufdrangen, immer lauter. Plötzlich vernahm ich heftiges Stiefeltrappeln auf der Treppe. Jemand rüttelte an der Tür und stieß sie auf. Samuel Corlett ließ meine Hand los und sprang auf. Ein Student, keuchend und mit rotem Gesicht, stolperte in den Raum. Caleb stand hinter ihm, seine Miene, die sonst meist undurchdringlich und gelassen wirkte, verriet deutlich, wie aufgewühlt er war.
    »Verzeiht mir, Tutor«, stammelte der Student. »Aber dieser Bursche da kam hereingeplatzt und wollte …«
    Caleb streckte einen Arm aus, schob den stotternden Studiosus entschlossen beiseite und wandte sich an Samuel. »Euer Vater schickte mich, Euch zu holen.« Er blickte zu mir. »Euch beide. Die Sache ist dringend. Kommt Ihr?«
    Wir eilten hinter ihm hinaus aus der Bibliothek und die Treppe hinab. Caleb mit seinen langen Beinen war uns schon bald weit voraus, und so raffte ich meine Röcke und begann zu rennen, ganz gleich, was Samuel von mir denken mochte. Als wir in Master Corletts Haus in die Küche traten, war am Boden ein Blutfleck zu sehen, eine glänzende, dunkle Lache. Eine Spur führte hinaus in die Diele. In diesem Moment hörte man die Stimme des Masters, der uns aus seinem Zimmer rief und ganz aufgeregt klang. »Sohn? Bethia? Seid ihr das? Hier herein, schnell.«
    Ich sah verschwommen ein paar Gesichter im Klassenzimmer, die alle zur Tür von Master Corletts Gemach schauten. Samuel öffnete sie, schob mich vor sich hinein und schloss sie dann rasch wieder. Als ich noch einmal zurückblickte, fiel mein Blick auf Caleb. Zum ersten Mal, seit wir uns kannten, sah ich Tränen in seinen Augen.
    Anne lag mit schmerzverzerrten Zügen auf dem

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