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Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Titel: Insel zweier Welten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraldine Brooks
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barhäuptig, die in Ungnade gefallen sind oder eine Strafe bekommen haben. Ich hoffe, dich niemals so zu sehen, wenn du wirklich die Chancen wahrnehmen und der Verantwortung gerecht werden willst, die auf dich zukommen.«
    Caleb stand auf, machte einen leichten Diener und wandte sich zum Gehen. Chauncy hob eine Hand. »Einen Moment noch, bitte. Wenn daran noch irgendein Zweifel herrschen sollte, möchte ich betonen, dass wir uns freuen, dich hierzuhaben. Ich bin mir sicher, dass es so manche Schwierigkeiten geben wird, ob kleine oder große, während du hier dein Studium absolvierst. Doch du darfst nicht denken, dass du nicht willkommen bist. In Wahrheit bist du sogar sehr willkommen. Du bist notwendig. Ich hatte langsam geglaubt, dieser Tag würde nie kommen. Ich freue mich darüber – denn er wird unsere verehrten Wohltäter in London zufriedenstellen. Und jetzt schicke auch noch den anderen Wil… den anderen Jungen herein, und wir werden erfahren, ob er ebenso geeignet ist wie du.«
    Als Caleb sich umdrehte, sah er mich an der Wand stehen. Er blickte auf die Admittatur in seiner Hand hinab, und wir tauschten einen Blick des Triumphes. Chauncy entging nicht, was zwischen uns vorging, und er runzelte missbilligend die Stirn. »Du da. Du kannst gehen.« Ich nickte gehorsam und zog mich zurück, wobei ich bedauerte, nicht Joels Prüfung beiwohnen und sehen zu können, wie wacker er sich schlagen würde. Als ich in den Flur trat, ging ich an ihm vorbei. Caleb und ich wünschten ihm leise viel Glück. Er war ebenso makellos und schlicht gekleidet wie Caleb – dafür hatte ich gesorgt –, doch fehlte ihm die Haltung seines älteren Freundes. Sein ansonsten so verträumter Blick war verschwunden, und an seine Stelle war die Verzweiflung eines umzingelten Tieres getreten. Er war schweißgebadet. Als er aufstand, um in die Aula zu gehen, konnte ich sehen, dass seine Hände zitterten. Auf einmal sah er sehr jung aus. Caleb legte ihm eine Hand auf die Schulter und flüsterte ihm etwas zu. Die Worte konnte ich nicht hören, doch ich wusste, dass es Wampanaontoaonk gewesen war.
    Vielleicht gehörte Joel ja zu den Menschen, die ein wenig Aufregung brauchen, um zu Bestleistungen angespornt zu werden. Denn wenig später erfuhr ich, dass er noch besser abgeschnitten hatte als Caleb.

XXIII
    Wenn ich geglaubt hatte, am College besser versorgt zu sein als an Master Corletts Schule, so belehrten mich die Klagen des Küchenmeisters, während er eine Aufstellung der Lohnzahlungen machte, eines Besseren. Das College war das ganze Jahr über in Betrieb, ohne Ferien oder Ruhetage, doch der größte Teil der Gehälter wurde im Herbst gezahlt, wenn die Erstsemester zum Studium antraten.
    »So wie es aussieht, müssen wir diesen Herbst mal wieder sparen.« Roger Whitby war ein handfester Bursche aus Yorkshire mit frischer Gesichtsfarbe und einem fröhlichen Gemüt. Er lachte gern. Schon bald hatte ich begriffen, dass sein Hauptvergnügen darin bestand, das überhebliche Auftreten der Tutoren und ihrer Anvertrauten aufs Korn zu nehmen. »Wenn diese Kerle die Söhne von Propheten sind, dann sollten ihre Erzeuger sich vielleicht ein Metier suchen, das besser bezahlt wird.«
    Ich hatte die Aufgabe erhalten, ihm dabei zu helfen, die verschiedenen Güter und Lebensmittel, mit denen manche Familien ihre Rechnungen an das College bezahlten, für die Lagerung zu sortieren. Hinterher begutachtete er meine Arbeit. »Schlaues Mädchen, das rechnen und schreiben kann! Die Letzte konnte nichts davon, obwohl sie fleißig gearbeitet hat; ich will nichts Schlechtes über sie sagen. Offenbar kriegen wir dieses Jahr zwei Teile Mais und einen Teil Roggen. Auch recht. Meine Frau sagt, davon kann sie ein gutes braunes Brot backen. In manchen Jahren kriegen wir nur Mais, und dann könnte man die Laibe ebenso gut mit Sägespänen backen, weil wir nicht genügend Eier zum Binden haben.« Das merkte ich mir: Vielleicht konnte ich ja ein paar Hühner halten und damit das Los der Studenten verbessern.
    Jemand hatte uns eine Milchkuh geschickt, und so markierte ich ihr Ohr mit dem Siegel des College und führte sie zum Weiden auf die Gemeindewiese. Auch gab es mehrere Fässer voller Melasse und Süßwein, erstere sehr willkommen, während letztere sogleich versiegelt und beiseitegestellt wurden. »Die werden vor dem Beginn des nächsten Semesters nicht angerührt und sind dann sicher innerhalb von einer Stunde leergetrunken.« Auch Holzscheite waren geliefert worden,

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