Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
vorherige Dienstmädchen bei ihnen wohnen sollte. Die Familie lebte zusammen in einem langen, schmalen Raum, der hinter der Küche lag. Die Hälfte des Platzes wurde von Waren und Lebensmitteln eingenommen, auf die Whitby ein besonderes Auge haben wollte, wozu insbesondere der Wein, der gewürzte Apfelmost und ein Fässchen Rum gehörten.
»Der Teufel fährt in diese Jungs, ob sie nun Pfarrerssöhne sind oder nicht. Wir haben hier schon so manchen raufenden Trunkenbold gehabt, o ja, und lass dir bloß nicht von irgendeinem alten Tutor etwas anderes sagen, Mädchen. Jungs, die Latein pauken, sind auch nicht besser als andere, wenn sie den Bauch voller Schnaps haben. Könnte wetten, dass es so manche Rauferei gibt, solange du hier bist. Wenn so was in der Luft liegt, dann komm lieber schnell hierher und verriegele die Tür. Meine gute Frau würde mir den Mund verbieten, wenn sie wüsste, was ich dir erzähle, aber die älteren Jungs sind sich nicht zu schade, in der Stadt auf die Jagd nach leichten Mädchen zu gehen, und wenn sie besäuselt sind, versuchen sie es auch schon mal bei anständigen Frauenzimmern. Sei auf der Hut, Kleine, das will ich dir nur raten. Aber bei uns zu Hause bist du sicher, meine bessere Hälfte und ich sorgen schon dafür.«
Ich sollte ein schmales Federbett in der Ecke neben dem Kamin bekommen, mit einem Vorhang rundum, um für eine gewisse Abgeschiedenheit zu sorgen. Das alles war eine deutliche Verbesserung gegenüber meiner früheren Unterbringung, und in der ersten Nacht schlief ich selig, obwohl der gute Whitby und sein Sohn schnarchten, als gälte es, einen ganzen Wald abzuholzen.
Da ich die niedrigste Bedienstete war, fiel mir die Aufgabe zu, als Erste aufzustehen, Wasser zu holen, im Herd Feuer zu entzünden und das Frühstück zuzubereiten. Das alles machte mir nichts aus; ich war schon immer vor Sonnenaufgang aufgestanden. Meinen Morgendienst sollte ich gleich am ersten Tag aufnehmen, als die Erstsemester ins College einzogen. Die Küche und der angrenzende Saal waren sehr schön und geräumig, alles war bis in die letzte Nische sauber geschrubbt, und das frisch gewachste Holz schimmerte. Das Mädchen, dessen Stelle ich übernommen hatte, war offenbar sehr sorgfältig gewesen. Sie hatte allerlei Kräuter in die Dachsparren gehängt, weshalb sich ein angenehmer Duft nach Bienenwachs, Salbei und Rosmarin unter das würzige Aroma des Feuers mischte. Dort war es zu so früher Stunde vor Morgengrauen ganz still und friedlich. Erst um halb fünf begann sich in den Räumen des College etwas zu regen, und schon bald klopften die ersten Studenten an die Luke zur Küche. Ich öffnete sie mit einem Quietschen und sah als Ersten den jungen Joseph Dudley. Ich freute mich, sogleich ein vertrautes Gesicht zu sehen, doch er erwiderte mein Lächeln nicht. Sein schläfriges Gesicht trug eine mürrische Miene zur Schau.
»Guten Morgen, Dudley«, sagte ich und reichte ihm den Teller mit seinem Frühstück.
»Von gut kann nicht die Rede sein.« Er nahm seinen Krug und den Ranken Brot entgegen und begab sich schnell wieder auf den Rückweg zur Treppe. »Jedenfalls bin ich bestimmt nicht zu diesem Zweck hierhergekommen.«
»Was für ein Zweck denn?«
»Den Drittsemestern zu dienen.« Er stand bereits auf der Treppe und nahm zwei Stufen auf einmal. »Ich bin für Pynchon zuständig, und er hat mir gedroht, mir eine Tracht Prügel zu verpassen, wenn ich ihm nicht gleich sein Frühstück bringe.«
Noch ein weiteres halbes Dutzend Erstsemester drängte sich vor meiner Luke und fasste nach dem Brot und dem Bier, die ich so schnell aufreihte, wie ich nur konnte.
»Das reicht jetzt!«, sagte ich streng. »Wir sind hier nicht an einem Schweinetrog. Stellt euch in Reih und Glied an wie Gentlemen!« Es gab ein allgemeines Murren und Brummen, doch dann bildeten die Jungen eine Art Schlange. Als Joel Iacoomis an der Reihe war, wünschte er mir höflich einen guten Morgen.
»Danke dir, Jo … ich meine, Iacoomis«, sagte ich und schob ihm sein Frühstück hinüber. »Und wem dienst du?«
»Brackenbery.«
Kaum war Joel beiseitegetreten, drängelten und schubsten die anderen weiter, bis ich die Hände auf die Hüften legte und verkündete, ich würde keine weiteren Krüge mehr ausgeben. »Ich sagte, benehmt euch wie Gentlemen. Ich bediene keinen mehr von euch, solange ihr euch nicht anständig zu betragen wisst.«
»Ist schwer, sich wie ein Gentleman zu fühlen, wenn man als Allererstes jemandem dienen
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