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Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Titel: Insel zweier Welten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraldine Brooks
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jedoch zu wenig. »Taugen kaum mehr als zum Schnitzen. Damit kriegt man höchstens ein Armenhaus warm.« Dann gab es noch ein Fass mit gepökeltem Kabeljau, das Whitby zu einem seltenen anerkennenden Nicken veranlasste: »Damit können wir einen guten Monat lang das Samstagabendessen bestreiten.« Ein Schuster hatte die Studiengebühr seines Sohnes, der im zweiten Semester war, in Form von Schuhen bezahlt – mit einem einzigen Paar. Whitby befingerte das fein gestichelte Leder und kratzte sich nachdenklich am Kopf. »Dafür kriegen wir in der Stadt sicher einen guten Preis, aber wer bezahlt uns für die Zeit, die benötigt wird, um die Schuhe zu verkaufen?«
    Ich war gespannt darauf zu erfahren, wie vielen Studenten ich ihr Essen servieren würde, und Whitby listete mir mit Freuden alle Klassen auf. Von den Viertsemestern wusste ich bereits, weil es sich um Samuels Schützlinge handelte, junge Burschen, von denen er mit der zärtlichen Anteilnahme eines Mannes sprach, der seit drei Jahren mit ihnen lebte und sie unterrichtete. Zu seiner Klasse gehörten zwölf Studenten, die es trotz der strengen Auslese des College so weit gebracht hatten. Die Klasse war ungewöhnlich groß, weil sich gleich drei Söhne des Präsidenten sich zur selben Zeit immatrikuliert hatten: die Zwillinge Elnathan und Nathaniel Chauncy sowie ihr Bruder Israel. Im dritten Semester gab es nur noch halb so viele Studenten, und ganze sieben besuchten das zweite Semester. Das machte zusammen mit den acht Erstsemestern insgesamt dreiunddreißig Personen, plus die vier Tutoren, die mit ihren Schützlingen zusammenwohnten. »Da sind aber noch nicht die Gaststudenten eingerechnet«, bemerkte Whitby. Dabei handelte es sich, wie er erläuterte, um ältere Studenten, die die doppelte Gebühr zahlten, um an den Vorlesungen teilnehmen zu können. Ihre höhere Gebühr berechtigte sie dazu, mit »Mister« angesprochen zu werden, während die jüngeren Studenten geduzt und schlicht mit ihrem Nachnamen tituliert wurden. Die Gaststudenten aßen meistens am Tisch des Lehrpersonals mit. Doch von ihnen kam kaum einer als Kandidat für einen Abschluss infrage, und es kam selten vor, dass einer die gesamten vier Studienjahre absolvierte.
    Am meisten interessiert war Whitby an den neuen Erstsemestern, weil er darauf hoffte, dass wenigstens einer oder zwei von ihnen aus einer wohlhabenden Familie stammte, die vielleicht etwas großzügiger mit ihrer Unterstützung wäre. Man hatte ihm eine Liste mit den Namen der Studenten gegeben, die die Aufnahmeprüfung bestanden hatten und untergebracht werden mussten. Er ging sie sorgfältig durch und tippte mit seinem fleischigen Finger auf jeden einzelnen Namen. »Atherton. Von der Sippe hatten wir schon ein paar hier. Große Familie, die Athertons. Der Vater ist irgendwo bei der Armee. Nicht gerade ein Schinder, aber auch keine Memme. Samuel Bishop – die Leute kenne ich nicht. Dudley. Das wäre fette Beute gewesen, wenn sein Vater, unser verstorbener Gouverneur, nicht ins Gras gebissen hätte. Vom Stiefvater erwarte ich nicht viel, weil er Pfarrer ist. Männer Gottes werden in harten Zeiten wie diesen immer als Letzte bezahlt und müssen oft anschreiben lassen, bis ihre Gemeinde ihren Lohn entrichtet. Obwohl ich bei dem hier« – er zeigte auf den Namen Eliot – »eigentlich erwarte, dass er für seinen einzigen Sohn alles tut, was er kann. Das Gehalt von Apostel Eliot kommt aus England, nicht von irgendwelchen armen Siedlern hierzulande. Jabez Fox – das ist noch so ein Pfarrerssohn. Ebenso der junge Samuel Man. Edward Mitchelson – offenbar der Sohn des Generalmarschalls. Könnte zu was gut sein. Ich sage dir, am allermeisten freue ich mich, diese beiden sonderbaren Indianernamen auf der Liste zu sehen. Danken wir Gottes Vorsehung für sie. Von denen wird die ganze Klasse leben. Die ›Gesellschaft für die Verbreitung des Evangeliums‹ – allesamt gottesfürchtige Engländer – bezahlt jeden Penny für ihren Unterhalt, und zwar reichlich. Dafür sorgt Chauncy schon. Nicht dass wir davon allzu viel sehen werden, da könnte ich wetten, denn der Präsident wird damit erst mal seine eigenen Schäfchen ins Trockene bringen. Er bezieht ein gutes Gehalt vom College – man munkelt hundert Pfund im Jahr –, aber das meiste davon muss er in Form von Kost und Logis nehmen, deshalb ist er sicher froh um jeden Penny, den er bar kriegen kann.«
    Es war beschlossen worden, dass ich bei den Whitbys unterkommen und wie das

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