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Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Titel: Insel zweier Welten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraldine Brooks
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muss.« Gesprochen hatte ein schmaler Junge mit tief gerunzelter Stirn, sehr dunklem Haar und blasser Haut.
    Ein größerer Junge knuffte ihn spielerisch an der Schulter. »Na, komm schon, Eliot, sicher haben dir doch deine älteren Brüder gesagt, wie das hier läuft. Oder etwa nicht?« Ich vermutete, dass es sich bei dem bleichen Knaben um Benjamin Eliot handelte, den Sohn des berühmten Apostels. Eliot runzelte die Stirn noch mehr. Der größere Junge lachte ihn aus.
    »Weißt du, ich habe fünf Brüder – Rest, Thankful, Watching, Patience und Consider –, und jeder ist ganz anders, als sein Name es vermuten ließe. Sie verkörpern nicht etwa Ruhe, Dankbarkeit, Umsicht, Geduld und Nachdenklichkeit. Und dennoch haben alle das hier durchgemacht und es überlebt. Und das wirst du auch, wenn du den Ratschlag der Athertons befolgst: Übe dich in Geduld und Umsicht, dann wirst du schon bald zur Ruhe und zum Nachdenken kommen und Dankbarkeit verspüren. Das zumindest ist meine Hoffnung.«
    Ich lächelte Hope Atherton zu, als er nach dem Krug für seinen Drittsemester griff. Er war der Einzige, der sich bedankte, bevor er sich umdrehte und beim Laufen ein wenig Bier verschüttete.
    Erst als der allerletzte Erstsemester die Treppe hochgestürmt war, sah ich Caleb, der ohne offensichtliche Eile auf die Luke zuschlenderte.
    »Guten Morgen«, sagte ich. »Und wem dienst du, dass du es wagst, ihn so lange warten zu lassen?«
    Er lächelte, nahm Brot und Bier, das ich ihm hinstellte, mit einem höflichen Dankeschön entgegen. »Wem ich diene? Wem soll ich denn dienen? Ich diene natürlich mir selbst.« Mit diesen Worten marschierte er in den Garten hinaus, und ich sah ihn von meiner Luke aus nachdenklich im Hof stehen und zum Himmel blicken, wo allmählich der Morgen graute. Als er hereinkam, um seinen Krug zurückzubringen, schaute ich mich rasch um, um sicherzugehen, dass wir unbeobachtet waren, und legte ihm dann eine Hand auf den Ärmel, bevor er sich abwenden konnte.
    »Sei vorsichtig«, flüsterte ich. »Es ist eine Sache, deinen Weg zu gehen, wenn du in den Wäldern, bei deinen Leuten, lebst – und eine andere ist es hier, wo es so manchen gibt, der dich mit Freuden straucheln sieht …« Sanft legte er eine Hand auf die meine und lächelte. »Danke für deine Sorgen, die du dir um mich machst«, meinte er. »Aber es besteht keine Notwendigkeit dafür.«
    Ich sah ihm hinterher, als er ging, und rief leise: »Ich hoffe nur, dass du recht hast.«
    Danach schloss ich die Luke für die Essensausgabe. Ich hatte den letzten Krug zurückbekommen und begann, sie mit Sand zu bestreuen und zu schrubben. Trotz des klappernden Geschirrs hörte ich den Krach, den die Studenten in der Aula verursachten, wo sie sich zum Gebet versammelten. Maude Whitby war hereingekommen und begann zu kochen, doch jetzt wischte sie sich die Hände an ihrer Schürze ab, denn es wurde von uns erwartet, dass wir unsere Aufgaben ruhen ließen und an dem Gottesdienst teilnahmen. Chauncy begann mit einem Psalm, den er nicht, wie es bei uns üblich war, vorsang, sondern in den wir gleich mit einstimmen sollten. Anschließend las er eine Stelle aus dem Leviticus vor, erläuterte sie und schloss dann mit einem Segen. Um sieben läutete in der Kuppel über uns die Glocke, und ich kehrte zu meiner Arbeit zurück, während sich die Studenten zum Studium auf die Zimmer ihrer Tutoren verteilten. Ich wusste, dass sich Joel und Caleb zum ersten Mal mit ihrem Betreuer trafen; und ich fragte mich, wie sie wohl mit ihm zurechtkommen würden. Den Mann hatte ich nicht gesehen, und weder hatte ich erfahren, wie er hieß, noch die Gelegenheit gehabt, Samuel zu fragen, was er über Chauncys Wahl wusste.
    Goody Whitby war während der Arbeit zum Plaudern aufgelegt, und obwohl ich weder unfreundlich noch unhöflich erscheinen wollte, stand mir doch nicht der Sinn nach vielen Worten, weil ich mir so sehnlichst wünschte, den Vorlesungen lauschen zu können, was mir wohl kaum gelingen mochte, wenn ich mit dem einen Ohr Latein hörte und mit dem anderen irgendwelchen Klatsch im Dialekt Yorkshires. Als um acht Uhr die Glocke wieder läutete, konnte ich durch die geschlossene Essensluke Füße scharren hören, während sich die Studenten zu ihrer Morgenvorlesung versammelten. Meine Aufregung war groß – nun war ich endlich am College, dort wo ich schon immer hinwollte! Dass meine Hände bis zu den Knöcheln im Brotteig steckten, tat dem keinen Abbruch, denn im Geiste war ich

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