Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
sagen. Tobia begrüßte mich freundlich und schickte Sarah aufs Feld, um Noah zu holen. Ich schaute ihr hinterher, wie sie mit hüpfenden blonden Löckchen losrannte – ganz ihr Vater.
Kurze Zeit später kam Noah lächelnd, aber auch überrascht über mein plötzliches Erscheinen ins Haus. »Letzten Markttag war ich mit deinem Bruder zusammen, aber er hat nichts davon gesagt, dass er einen Besuch von dir erwartet.«
»Ich bin auch überraschend hier«, sagte ich. Tobia stellte uns Bier und Haferkekse hin, weshalb ich genötigt war, mich eine Weile mit ihm hinzusetzen und zu plaudern. Dann kam Anne herein, die an ihrer Schule unterrichtet hatte. Sie sah gut aus, wenngleich nicht mehr so blühend und fröhlich wie vor ihrem großen Verlust im Jahr zuvor. Wir sprachen darüber, wie sie mit den Kindern zurechtkam, und sie wurde gleich viel lebhafter, als sie erzählte, wie sich das eine und andere Kind beim Lernen anstellte.
Ich spürte, dass Noah mich immer wieder musterte, doch als er merkte, dass ich vor den anderen nicht preisgeben würde, was es mit meinem urplötzlichen Besuch bei ihnen auf sich hatte, fand er einen Vorwand, indem er behauptete, er müsse eine Nachricht zur Mühle bringen, und ob ich denn Lust hätte, mit ihm hinüberzugehen und mir anzuschauen, was sich dort alles verändert hatte. Bei dieser letzten Bemerkung sah ich ein feines Lächeln um seine Lippen spielen, denn er wusste sehr wohl, dass ich mich nicht allzu sehr für Schrot und Korn interessierte.
Kaum hatten wir uns ein wenig vom Haus entfernt, ergriff ich das Wort. »Einmal, vor Jahren, hast du bewiesen, dass du mir ein Freund bist. Damals bist du für jemanden, der mir viel bedeutete und in Schwierigkeiten steckte, ein großes Risiko eingegangen. Noah, ich habe nicht das Recht, darum zu bitten, doch ich bin hier in der Hoffnung, dass du mir noch einmal als guter Freund zu Hilfe kommst, auch diesmal für jemanden, der sich in einer schlimmen Situation befindet.« Ich erzählte ihm von Calebs schwerer Erkrankung und eröffnete ihm meine seltsame Bitte. »Vielleicht ist es ja wirklich alles umsonst«, schloss ich, »doch unsere beste Medizin und die inbrünstigsten Gebete haben ihm nicht helfen können. Wenn es noch etwas gibt, was getan werden kann, dann liegt es vielleicht in den Händen von jenem Mann.«
Noah schaute mich ernst an. »Ich weiß nicht, warum du das denkst, nachdem Caleb schon vor so vielen Jahren den Übergang in unsere englische Welt gewagt hat.«
»Ich habe meine Gründe«, sagte ich leise.
»Es ist nicht ohne Risiko, weißt du. Er ist rachsüchtig, das sagen diejenigen, die ihn kennen, und er ist voller Hass. Mittlerweile bleibt er viel für sich, weil die getauften Indianer ihn nicht mehr bei sich dulden. Er ist der letzte seiner Art; der einzige pawaaw , der noch nicht Satan und seinen Höllengefährten abgeschworen hat.«
»Das weiß ich. Aber ich muss es probieren.«
Und so nahmen wir ein mishoon zur Siedlung der Takemmy, um den dortigen sonquem um Rat zu bitten. Er war ein weiser Mann, der sich bemühte, jederzeit darüber unterrichtet zu sein, wo Tequamuck sich aufhielt. Denn in seinen Augen war es besser, dem Medizinmann aus dem Weg zu gehen. Es wurde gemunkelt, er würde jedem, der ihm Wild wegschnappte, das er eigentlich für sich selbst beanspruchte, seine dämonischen Helfer auf den Hals hetzen.
Als der sonquem erfuhr, dass Noah und ich Tequamuck um eine Unterredung bitten wollten, bekreuzigte er sich und flehte Gott um seinen Schutz gegen diesen bösen Mann an. (Er war erst vor zwei Jahren Christ geworden, nachdem er lange mit der Entscheidung gerungen hatte.) Noch am selben Nachmittag machten wir uns auf den Weg an den Ort, den er uns genannt hatte und der zum Glück nicht einmal drei Meilen entfernt lag.
Ich weiß nicht wie, aber er musste unser Kommen gespürt haben. Denn er wartete auf uns, stehend, die Arme verschränkt, hinter einem flackernden Feuer, dessen beißender Rauch deutlich nach verbranntem Beifuß roch. Er war wie für eine Zeremonie gekleidet, trug seinen Umhang aus Truthahnfedern, und sein Gesicht war mit roten und ockergelben Streifen bemalt.
Wir zügelten Speckle ein Stück weit entfernt und stiegen ab. Ich muss zugeben, dass mir die Beine schlotterten und meine Knie nachgaben, kaum dass sie den Boden berührten. Noah reichte mir seinen Arm, den ich nur allzu gerne nahm, obwohl ich dabei spürte, dass auch mein alter Freund zitterte wie Espenlaub. Wir zwangen uns
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