Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
Thomas Danforth dabei, wie er sich stolz zu einem seiner Tischnachbarn beugte, um von ihnen Lob für Calebs Fähigkeiten zu erheischen.
Nun, dachte ich. Du hast es geschafft, mein Freund. Es hat dich deine Heimat und deine Gesundheit gekostet, und es hat dich von deinem nächsten Verwandten entfremdet. Doch nach dem heutigen Tag kann niemand mehr sagen, dass der Verstand eines Indianers primitiv und durch Bildung unformbar ist. Denn hier in dieser Halle steht er, der unwiderrufliche Beweis, der negat respondens.
Schließlich stand Chauncy auf und bat um Ruhe. In der Aula wurde es mucksmäuschenstill. Auf Latein wandte sich der Präsident an das Aufsichtskomitee: »Ehrenwerte Herren und verehrte Angehörige des Klerus, ich präsentiere Euch nun diese jungen Studenten hier, von denen ich weiß, dass sie über hinreichend Wissen und gute Manieren verfügen, um gemäß den Gepflogenheiten an den Universitäten von England den ersten akademischen Grad zu erlangen. Ist Euch das genehm?«
Und zur Antwort ertönte ein lautes: » Placet!«
Ein Graduierter nach dem anderen erhob sich, trat vor Chauncy und bekam die Urkunde überreicht, mit der sein Universitätsabschluss bestätigt wurde. Als Caleb seine entgegennahm, hatte ich das Gefühl, die Stimme des alten Mannes zittere ein wenig, als er die altehrwürdigen Worte sprach: »Ich übergebe Euch diese Urkunde und erteile Euch hiermit die Erlaubnis, in all den Fächern, die Ihr studiert habt, zu unterrichten, wohin auch immer man Euch zu dieser Aufgabe einberuft.«
Später, als alle Formalitäten erledigt waren, traten die Graduierten vom Podest herab und ließen sich von ihren Familien umarmen und gratulieren. Nun endlich durften sich auch die Frauen – Mütter und Schwestern – der festlichen Runde anschließen und betraten strahlend die Aula, um ihre frischgebackenen Absolventen zu feiern. Ich trat nach vorne, weil ich versuchen wollte, Caleb zu beglückwünschen, wie es ihm an diesem Tag gebührte. Doch die Menge war so dicht gedrängt, dass ich kaum vorwärtskam. Erst als er sich direkt auf den Weg zur Tür begab, teilte sich die Menge für ihn. Ich rief nach ihm, doch er drehte sich nicht um, sondern ging weiter. Als ich über meine Schulter zurückblickte, sah ich, dass auch Samuel mitten in einem Knäuel von Feiernden feststeckte. Er hob entschuldigend die Schultern, um mir zu zeigen, dass er die Aula vorerst nicht verlassen konnte. Ich drängte mich durch, indem ich selbst bei betagten Ehemaligen und Pfarrern meine Ellbogen einsetzte, und erreichte schließlich die Tür, wo ich in alle Richtungen schaute und versuchte, Caleb auszumachen.
Schließlich entdeckte ich ihn. Er war schon auf halbem Wege durch den Garten und lehnte sich schwer gegen einen Baum. Dabei kehrte er mir den Rücken zu, doch ich sah deutlich, dass seine Schultern bebten. Einen Moment lang überlegte ich, ob ich zu ihm gehen sollte oder nicht. Vielleicht wollte er mich ja nicht bei sich haben, wenn ihn der Kummer überwältigt hatte. Doch dann obsiegten meine Gefühle über jede Vorsicht, und ich lief weiter. Als ich näher kam, merkte ich, dass es nicht der Kummer war, der ihn so mitnahm, sondern ein heftiger Hustenkrampf. Er hatte eines der Leinentaschentücher, die ich ihm genäht hatte, vor den Mund gepresst. Als er es wegnahm, sah ich, dass es mit Blut befleckt war.
VIII
Vermutlich hat so mancher von meinen Zeitgenossen bereits mit einem Menschen, der ihm lieb und teuer war, die schrecklichen Leiden der Schwindsucht durchgestanden. So will ich auch nicht von den langen Tagen und Nächten berichten, nur, dass mein Freund litt und dabei doch einen Stoizismus erkennen ließ, der dem Sohn eines sonquem, aber auch einem bekehrten Christen gänzlich würdig war. Auf welchen Teil von ihm er nun zurückgriff, um all seine Geduld und seinen Mut aufzubringen, weiß ich nicht.
Thomas Danforth war rührend um ihn besorgt. Caleb mangelte es nicht am allerbesten Essen, doch das kam zu spät, denn was das Stadtleben und die Entbehrungen des College gesundheitlich bei ihm angerichtet hatten, war nicht mehr wiedergutzumachen. Der Doktor aus Charlestown suchte ihn fast täglich auf, und Samuel ließ ihn so oft zur Ader, wie er es für nötig und gut hielt. Zuerst schienen diese Behandlung und die Möglichkeit, jeden Tag in den Heuwiesen von Danforth spazieren zu gehen, durchaus eine Verbesserung seines Zustands mit sich zu bringen. Doch als das Wetter unwirtlicher wurde, ging es mit ihm erneut
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