Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
Menge Lärm verursachen – ein Gerber, ein Ziegelmacher, ein Schmied und ein Schiffsbauer erfüllen bei Tage jede Stunde mit einem Höllenkrach –, jedoch nicht ausreichen, um dem Städtchen Wohlstand zu bringen. Für Kutschen sind die Wege zu holprig. Da sich die Leute hier nicht darum scheren, wo sie ihre Nachttöpfe leeren, stinkt es erbärmlich, und überall erheben sich übelriechende Berge aus Unrat. Der Bach führt nur Brackwasser, doch selbst wenn das nicht der Fall wäre, könnte das Wasser nicht gesund sein, weil es im ganzen Ort als Kloake verwendet wird. Darum muss man auch statt Wasser auf leichtes Bier als Getränk zurückgreifen, wovon ich oft Kopfweh bekomme und das auch den Jungen bestimmt nicht zuträglich ist, vor allem den jüngsten nicht, von denen zwei kaum neun Jahre alt sind. Da man kein Holz für das Erwärmen von Badewasser erübrigen kann, erwartet Master Corlett von den Jungen, dass sie sich draußen an einem Trog waschen, von dem sie jeden Morgen erst einmal das Eis weghacken müssen, was sie natürlich nur mit Mühe schaffen. Ich musste ihm ein wenig Talg und Lauge abschwatzen, die ich mit Asche mischte, um Seife herzustellen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es war, bevor ich hierherkam. Und selbst jetzt, wo die Jungen Seife zur Verfügung haben, riechen sie streng, wenn sie im Klassenzimmer dicht nebeneinander in die Bänke gequetscht sitzen, und wenn ich den überfüllten Dachraum reinigen muss, in dem sie schlafen, atme ich nur durch den Mund, um den fauligen Gestank halbwegs ertragen zu können.
Das alles stellt Makepeace auf eine harte Probe, der ganze zwei Jahre älter als die ältesten Schüler hier ist. Vielleicht ist das auch der Grund, warum er bei jedem Anlass auf die Insel fährt, um einmal wieder etwas Gutes zu essen, ein paar Nächte an einem warmen Feuer zu schlafen, und einige Tage Einsamkeit und Frieden ohne seine lärmenden Mitschüler zu genießen. Doch sein häufiges Fehlen ist seinen Studien nicht gerade dienlich, und oft genug laufen ihm jüngere Schüler den Rang ab. Wann immer wir einen Spaziergang unternehmen, sehe ich, wie sein Blick die kurze Entfernung zwischen der Schule und dem Harvard College hin und her wandert und den Studenten in ihren Talaren folgt. Seine Augen bekommen dann einen begierigen Ausdruck, doch die kleine Falte zwischen seinen Brauen sagt mir, dass der Zweifel an ihm nagt und er sich fragt, ob er wohl jemals seinen Platz unter ihnen einnehmen wird.
Für Caleb und Joel gibt es solche Ruhepausen, wie sie Makepeace für sich in Anspruch nimmt, nicht, denn ihnen bleibt die Fahrt auf die Insel schon aus Geldmangel verwehrt. Ich kann mir nur vorstellen, dass das Leben hier für sie unerträglich ist, denn das hier ist eine Welt, die ihnen vollkommen fremd und, in vielerlei Hinsicht, auch derjenigen weit unterlegen ist, die sie früher gekannt haben. Besonders für Caleb, der den größten Teil seines Lebens in der Natur verbracht hat, muss es eine gewaltige Umstellung sein, hier eingesperrt zu sein, und ich weiß sehr wohl, wie sehr er kämpft, um sich allem anzupassen. In den ersten Wochen, nachdem wir hierhergekommen waren, riss mich in der dunklen Stunde vor Morgengrauen des Öfteren etwas aus dem Schlaf, und wenn ich mich auf meiner Pritsche umdrehte, sah ich einen Schatten vorbeihuschen. Es war Caleb, der sich auf leisen Sohlen aus der Tür und durch den Küchengarten schlich. Vermutlich suchte er nach einem Platz, von dem aus er Kessakand begrüßen konnte. Mittlerweile tut er das nicht mehr. Ich habe nicht mit ihm darüber gesprochen, weil ich kein Salz in seine Wunden streuen wollte, deshalb kenne ich auch seine Gründe nicht. Doch vermute ich, dass er nach einem Platz suchte, der dem von früher ähnelte, einem Platz frei vom Ruß und Gestank englischer Betriebsamkeit, von dem aus er die Sonne begrüßen konnte. Wenn dem so war, dann musste seine Suche vergeblich bleiben, denn zumindest in der näheren Umgebung hat der Mensch hier auf jedem Zoll Erde deutlich seine Spuren hinterlassen.
Mich ärgert es, wenn ich gelegentlich den Schulmeister oder einen der älteren englischen Schüler sagen höre, ein Indianer müsse sich besonders glücklich schätzen, hier zu sein. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es ein Fehler von uns ist, immer nur das zu sehen, was wir in einem solchen Fall geben, und nie in Betracht zu ziehen, was andere aufgeben müssen, um diese Gabe anzunehmen. Und doch steht es mir nicht zu, dies alles gegeneinander
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