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Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Titel: Insel zweier Welten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraldine Brooks
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sollte ich eher sagen, nachdem ich die erste Nacht versucht hatte, neben ihr zu schlafen, denn ihr Schlaf war der einer Heimgesuchten. Wir hatten uns Kopf an Fuß gelegt, wie man es üblicherweise mit Bettgenossen tut, doch ich musste diese Entscheidung schon bald rückgängig machen, weil sie so mit den Beinen um sich schlug, dass ich befürchtete, sie würde mir ein blaues Auge verpassen. Trotz unseres Altersunterschiedes war sie so groß wie ich und legte eine sehnige Kraft an den Tag, die ihre schlanke Gestalt Lügen strafte. Als ich schließlich meinen Kopf neben den ihren bettete, nahm ich den starken Geruch ihres Zopf wahr – es war der reine Duft nach Tannennadeln und Sassafras, der sogleich Heimweh in mir auslöste. Gerade war es mir gelungen, einzunicken, als sich ihre Hand wie eine Schlinge um meinen Oberarm legte und ihn zusammendrückte. Sie schlief fest, doch wimmerte und brabbelte sie dabei die ganze Zeit. Auch als ich ihre Finger löste, wachte sie nicht auf. Schließlich stand ich auf, weil mir klar wurde, dass ich kein Auge zutun würde, solange ich das Lager mit ihr teilte. Ich holte mir eine fadenscheinige Decke, in die ich mich einhüllte, und legte mich vor dem gemauerten Herd auf den Boden, mit nur einem Getreidesack als Kissen. Die Kälte ging mir durch und durch, doch schließlich gewann meine Erschöpfung die Oberhand.
    Als ich aufwachte, stand sie über mir. »Heute Nacht bekommst du die Pritsche.« Ich wollte schon ablehnen, da sie schließlich Schülerin war und ich nur die Dienstbotin, doch sie kam mir zuvor.
    »Habe ich im Schlaf irgendetwas gesagt?« Die schönen Augen wichen mir aus, als sie das fragte.
    »Nichts, was ich verstanden hätte«, erwiderte ich. »Obwohl mir schien, dass du schlecht geträumt hast.«
    »Das tu ich immer.« Sie wandte sich ab, um hinaus auf den Abort zu gehen. »Es tut mir leid, dass ich deine Nachtruhe gestört habe.« Ich stand mit schmerzenden und steifen Gliedern auf und schaute ihr nach. Der lange Zopf schwang hin und her, während sie über die Fliesen davonging.

XIII
    Einige Wochen später bat mich Makepeace um eine Unterredung unter vier Augen, was ungewöhnlich war. Seit dem Morgen unserer Ankunft war er mir gegenüber zurückhaltend gewesen; zwar durchaus freundlich, aber nie mehr als das. Am Tage des Herrn gingen wir, wenn es das Wetter erlaubte, nach der Versammlung gemeinsam spazieren, doch unter der Woche war er für mich nicht mehr als jeder andere Schüler auch. Ich hätte nicht zu sagen vermocht, was ihn stärker wurmte: mein niederer Status innerhalb des Hauses oder meine abendlichen Gespräche mit dem Master, wenn er selbst dazu verdonnert war, sich mit den jüngeren Burschen im Schlafsaal aufzuhalten.
    »Ich würde mich freuen, wenn du ein paar Schritte mit mir gehen würdest. Ich muss dir etwas sagen.«
    Ich seufzte innerlich, weil ich an all die Hausarbeit denken musste, die sich während meiner Abwesenheit ansammeln würde, doch war ich auch neugierig auf das, was er mir zu sagen hatte, und so einigten wir uns auf eine Zeit. Am Nachmittag ließ ich Anne in der Küche zurück, wo sie am Tisch saß und lernte, und holte meinen Umhang.
    Gewöhnlich gingen wir die Crooked Street hinab in Richtung Versammlungshaus und Marktplatz, doch dieses Mal schlug Makepeace den entgegengesetzten Weg ein und lenkte unsere Schritte zum College und dahinter zum Cow Common, der Gemeindewiese. Wir suchten uns einen Weg zwischen dem Indian College und dem heruntergekommenen Schindelhaus, in dem die englischen Studenten untergebracht waren. Auf der Gemeindewiese drehten die Kühe ihre trägen Köpfe und beobachteten uns. Schweigend durchquerten wir den Apfelgarten. Der Schlamm war gefroren, sodass die Pfade zwar immer noch rutschig, aber wenigstens nicht mehr morastig waren, und einem die Stiefel nicht im Schlamm stecken blieben. Dennoch war ich nicht begeistert von der Aussicht, mir hier mein einziges Paar robuster Schuhe zu ruinieren.
    »Wieso müssen wir denn hier lang?«, erkundigte ich mich.
    »Weil ich nicht möchte, dass mich jemand hört«, antwortete er.
    Die Bäume waren mit einer glänzenden Reifschicht überzogen, doch es hatten sich bereits Knospen gebildet, und am Fuß der Baumstämme zeigten sich die ersten Schneeglöckchen. Einmal streckte Makepeace die Hand aus und hob eine dünne Scheibe Eis auf. Er hielt sie hoch wie ein Stück Glas und schaute hindurch. Dann ließ er sie fallen, und das Eis zerbrach am Boden. Makepeace blickte empor in

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