Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
bestehen.«
»Makepeace. Sie werden deine Lateinkenntnisse prüfen und ein bisschen Griechisch abfragen. Ganz gewiss könntest du doch …«
»Ich kann nicht! Und was noch viel wichtiger ist: Ich will nicht! Ich will mich nicht einer Situation aussetzen, in der ich gedemütigt werde. Caleb und Joel werden die Zulassungsprüfung mit Bravour ablegen, und ich werde vor allen bloßgestellt, die ich kenne: Makepeace Mayfield, dümmer als ein Wilder. Ich kann es nicht ertragen, Bethia. Ich … ich … will nach Hause.« Er klang jetzt wie ein quengelndes Kind, und mein Mitgefühl, das vor wenigen Augenblicken noch so stark gewesen war, schwand plötzlich dahin.
»So. Du kannst es nicht ertragen.« Jetzt wurde mein Ton spöttisch, anmaßend. »Du bist ein Mann, Makepeace, mit all den Privilegien und Rechten, die mit dieser Bezeichnung einhergehen. Warum verhältst du dich dann nicht so? Du willst nach Hause. Machst du dir denn einen Moment lang die Mühe, dir zu überlegen, wie bitterlich ich mich danach sehne, nach Hause zu gehen? Und wie das hier alles geregelt werden soll, da ich doch, in deinem Interesse, hier als Magd unter Vertrag stehe, der für weitere dreieinhalb Jahre das Recht verwehrt bleibt, zu kommen und zu gehen, wie ihr beliebt? Du wirst auf die Insel zurückkehren, zu der Wärme, der Freundschaft und einem gewissem Status in der Gesellschaft, und ich soll hierbleiben, in dieser öden Stadt, soll schrubben und flicken, mittlerweile sogar ohne ein eigenes Bett, auf das ich des Abends in einsamem Frieden mein Haupt betten kann? Nein, Makepeace. Du wirst bleiben. Und du wirst lernen und ertragen, wirst dir das Opfer verdienen, das ich für dich geleistet habe. Und wenn du da drüben am College auf Master Chauncy triffst und es sich herausstellt, dass du der Herausforderung nicht gewachsen bist, dann wirst du danach streben, Gottes Willen darin zu entdecken, und herausfinden, was er mit dir im Sinn hat. Wenn du etwas anderes tust, das sage ich dir, Makepeace, dann bist du von dem Tage an, wo du diesen Ort hier verlässt, nicht mehr mein Bruder.«
Noch als ich diese Worte aussprach, wusste ich, dass ich sie nicht so meinte. Doch sie brachen aus mir hervor, als ritten sie auf einem wilden Hengst, den ich nicht mehr zu zügeln wusste.
Makepeace sah mich verblüfft an. In siebzehn Jahren war es erst das zweite Mal, dass ich ihm die Meinung sagte, und beim ersten Mal hatte ich mich nur gegen einen Angriff von ihm verteidigt. Jetzt jedoch hatte ich ihn angegriffen. Seine Gesichtszüge verhärteten sich. Er richtete sich auf und verschränkte in jener gockelhaften Pose die Arme vor der Brust, die ich immer an ihm gehasst hatte.
»Nur gut, dass unsere Mutter nicht mehr lebt und hört, was für ein keifendes Fischerweib aus dir geworden ist, Schwester. Du gibst mir ja noch nicht einmal die Gelegenheit, das zu sagen, was ich zu sagen habe. Glaubst du etwa nicht, dass mich deine Situation jeden Tag aufs Neue dauert? Der Hauptgrund für meine Verzweiflung ist, dass ich dir das alles eingebrockt habe. Ich liege des Nachts wach und grüble darüber nach, wie ich Abhilfe schaffen kann.« Seine Worte trafen mich wie ein Stachel, und ich senkte den Blick. »Wärst du nicht so schnell dabei, mir meine guten Absichten in Abrede zu stellen und mich zu verdammen, hättest du dir erst einmal angehört, was ich dir vorzuschlagen habe. Ich habe an Jacob Merry bezüglich der Heiratsabsichten seines Sohnes Noah dir gegenüber geschrieben und ihm mitgeteilt, dass wir sein Ansinnen akzeptieren, wenn er finanziell dazu in der Lage ist, dich aus der Indentur freizukaufen. Die dafür nötige Summe bin ich bereit abzuarbeiten, indem ich jedwede Arbeit annehmen werde, die ich bekommen kann.«
»Makepeace!« Wenn ich auch vorher schon wütend gewesen war, so steigerte sich mein Zorn nun mit solcher Gewalt, dass ich nicht wusste, wie ich ihn in Worte fassen sollte. »Bitte sag mir, dass du diesen Brief noch nicht abgeschickt hast!« Sein Blick bestätigte mir das Schlimmste. »Dann wirst du noch heute Abend einen neuen schreiben und alles zurücknehmen!«
»Das ist unmöglich!«
»Unmöglich! Unmöglich ist die Tatsache, dass du dir einfach das Recht herausnimmst, mich in eine Ehe zu zwingen, der ich nicht zugestimmt habe, eine Verbindung, die selbst Vater für verfrüht hielt und die auch Großvater, der immer noch – muss ich dich daran erinnern? – mein Vormund ist, derzeit als unpassend erachtete.«
»Aber Großvater hat seine
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