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Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Titel: Insel zweier Welten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraldine Brooks
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Meinung geändert.«
    »Er hat … was?«
    »Ich habe ihm mein Herz ausgeschüttet, als ich ihn vor etwa einem Monat auf der Insel gesehen habe. Er sagte mir, ich solle mir das Ganze gut überlegen und vorerst keine Entscheidung treffen, sondern hart an mir arbeiten, und wenn ich nach einem Monat immer noch genauso dächte, dann hielte er meinen Plan für gut und würde Jacob Merry meinen Brief persönlich überbringen und für die Schulden einstehen.«
    Mir blieb fast die Luft weg. Ich spürte, wie mir alles Blut aus dem Gesicht wich und sich in mir eine große Kälte breitmachte. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden. Ich stützte mich an einem Baum ab und griff Halt suchend nach einem tief hängenden Ast.
    »Warum schaust du so? Weshalb diese heftige Reaktion? Jeder andere würde denken, ich hätte …« Er starrte mich mit finsterer Miene an. »Es ist deine unziemliche Zuneigung zu diesem halbgezähmten Wilden, die für dies alles verantwortlich ist, richtig? Ansonsten gäbe es doch für dich gar keinen Grund, dich gegen eine so passende Verbindung wie die mit Merry aufzulehnen!« Er verzog den Mund zu einem freudlosen, aber siegesgewissen Lächeln. »Ich hab’s gewusst! All deine Beteuerungen, es sei nicht wahr, waren nur Lug und Trug! Und wisse eins, Schwester: Noch heute wirst du diese Tändelei ein für alle Mal beenden. Du wirst tun, was ich dir sage, und damit Schluss.«
    Noch nie in meinem Leben hatte ich jemanden verflucht, doch an diesem Tag tat ich es. »Gott verdamme dich, Makepeace!«, sagte ich, drehte mich um und stapfte über rutschigen Grund zurück in Richtung Master Corletts Haus, die Stimme von Makepeace in meinem Rücken, der mir hinterherrief, ich sei diejenige, der Gottes Verdammung drohe.

XIV
    Als ich die Küche betrat, fand ich sie ziemlich überfüllt vor, ausgerechnet in dem Moment, in dem ich Raum und Zeit für mich gebraucht hätte. Anne saß dort, wo ich sie zurückgelassen hatte, ihr Buch aufgeschlagen vor sich auf dem Tisch. Master Corlett hatte sich zu ihr gesellt, Caleb und Joel saßen rechts und links von ihm. Offenbar fand gerade eine Art lebendiger Unterricht statt. Aus Annes Gesicht, das sie nicht länger gesenkt und unter der Haube verborgen hielt, sprach lebhafte Intelligenz, während sie Caleb und Joel zuhörte, die in einen gelehrten Disput darüber vertieft waren, ob Schönheit die Anwesenheit Gottes impliziere. Gerade hatte sie eine Frage gestellt, und Caleb wandte ihr das Gesicht zu und antwortete. Wenn er das Wort an sie richtete, klang seine Stimme stets weich und besorgt. Obwohl ich in Gedanken ganz woanders war, fiel mir doch auf, wie sehr sich die Situation von unseren heftigen und holprigen Streitgesprächen unterschied, all den vielen hitzigen Unterredungen, die wir inmitten von Sanddünen oder unter Eichenzweigen geführt hatten. Damals hatte er keinen Gedanken an die richtigen Manieren verschwendet, sondern einfach auf sorglose, brüderliche Weise seinen Gedanken freien Lauf gelassen.
    Brüderlich. Genau in diesem Moment wünschte ich mir zum ersten Mal im Leben, Caleb möge mein wahrer Bruder sein und nicht diese ichbezogene, gebieterische, willensschwache Seele, an die mich die Vorsehung gebunden hatte wie mit Fesseln. Dann wäre er es gewesen, an den ich mich jetzt hilfesuchend hätte wenden können, und er hätte mir ganz gewiss beigestanden und mir geholfen, das Schicksal abzuwenden, das man mir aufbürden wollte.
    Ich legte die Hand an den Türriegel und zögerte. Das Abendessen musste zubereitet werden, und doch wollte ich sie in ihrer gelehrten Unterredung nicht unterbrechen. Andererseits konnte ich mit so vielen Menschen in meiner Küche nicht richtig zu Werke gehen. Ich rang um Fassung und hatte doch das Gefühl, sie jeden Moment zu verlieren. Gerade wollte ich mich umdrehen und wieder gehen, als ich hörte, wie der Master meinen Namen rief und mich bat, Platz zu nehmen. »Ich … ich glaube nicht … ich muss meinen Pflichten nachkommen«, sagte ich und versuchte dabei, meine Stimme ganz normal klingen zu lassen. Caleb, der mit dem Rücken zu mir saß, merkte dennoch sofort an meinem Ton, wie aufgewühlt ich war, und drehte sich um. Ich hatte keine Ahnung, wie viel von meinen Gedanken sich in meinem Gesicht widerspiegelte, doch Calebs Reaktion zeigte mir, dass man mir meine Verstörtheit ansah. Er stand auf, nahm mich am Ellbogen und nötigte mich dazu, auf der Bank Platz zu nehmen.
    »Ist alles in

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