Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
Ordnung mit dir?«, fragte Master Corlett voller Sorge. »Du wirkst erhitzt – hast du Fieber?«
»Es ist nichts«, sagte ich. »Nur Kopfweh.«
»Meine Liebe, bitte geh doch in mein Gemach und ruh dich auf dem Bett ein wenig aus. Ich werde einen der Jungen zur Apotheke schicken, damit er eine Arznei holt.«
»Nein, Master, behelligt bitte keinen Jungen damit, eine Arznei ist nicht nötig.« Der Apotheker verlangte Wucherpreise für Arzneien, die jede Hausfrau selbst herstellen konnte. Ich wusste, dass der Master sich derlei Ausgaben gar nicht leisten konnte. »Aber ich lege mich ein Weilchen hin, wenn Ihr mich entbehren könnt.«
Noch nie hatte ich es so sehr genossen, allein zu sein. Als der Master die Tür hinter sich schloss, drückte ich das Gesicht in sein Kissen und ließ meinen Tränen freien Lauf. Danach lag ich nur da, erschöpft und unfähig, den Willen zum Aufstehen aufzubringen. Schon bald darauf übermannte mich die Müdigkeit, und ich verfiel, ohne es zu wollen, in jenen wohlverdienten Schlaf, um den ich die Nacht zuvor gekommen war.
Als ich erwachte, war es stockdunkel. Ich sprang auf, goss etwas kaltes Wasser aus dem Krug des Masters in seine Waschschüssel, bespritzte mir das Gesicht damit, rückte meine Haube zurecht und ging in die Küche. Niemand war dort, nur ein Stapel schmutzige Schüsseln stand im Ausguss. Offenbar hatten sich die Jungen selbst Brot und Käse geholt, und ich hatte nicht einmal das Geklapper gehört, das sie beim Essen im Speisesaal gewöhnlich verursachten. Alle waren jetzt beim Abendgebet, an dem eigentlich auch ich hätte teilnehmen müssen. Stattdessen zog ich mir einen Stuhl unter dem Tisch hervor, setzte mich ruhig hin und versuchte nachzudenken. Ich beschloss, mich dem Master anzuvertrauen und ihn um Rat zu bitten, wenn er mich nach dem Gebet zu sich aufs Zimmer rufen würde. Er war ein freundlicher Mann, klug und gottesfürchtig. Sicher würde er mir weiterhelfen können.
Nicht lange danach kam tatsächlich einer der jüngeren Schüler zu mir und sagte, der Master wünsche mich zu sprechen. Ich klopfte an seine Tür und trat ein, wobei ich damit rechnete, sein übliches, freundliches »Guten Abend« und vielleicht eine besorgte Nachfrage wegen meines Kopfwehs zu hören. Stattdessen jedoch blickte sein Gesicht streng und voller Unmut, als er den Blick hob.
»Dein Bruder berichtet mir, du hättest ihn aufs Übelste beschimpft und sogar verflucht. Was hast du dazu zu sagen?«
»Nun, ja, Herr, das stimmt, aber ich …«
»In dieser Angelegenheit gibt es kein Aber, Bethia Mayfield.« Er erhob sich. »Hier in Cambridge, in Abwesenheit deines Großvaters, ist dein Bruder dein Vormund und Geleit, dessen Wort du dich in jeder Hinsicht beugen solltest. Und doch hast du seine Ratschläge abgelehnt, als wärest du selber klüger und erfahrener als er. Da du deine Verfehlung offen zugibst und bis zum heutigen Tage ein vorbildliches Benehmen an den Tag gelegt hast, sehe ich keinerlei Notwendigkeit, mit der Angelegenheit vor Gericht zu gehen.«
»Vor Gericht?« Die Strenge im Ton des Masters und seine ungewohnte Härte mir gegenüber hatten mich so sehr verblüfft, dass ich verstummt war, doch bei dieser letzten Androhung konnte ich nicht länger an mich halten. »Warum sollte das Gericht sich damit befassen, was ich meinem Bruder in einer privaten Unterredung gesagt habe?«
»Lassen wir einen Moment dein schändliches Benehmen deinem Bruder gegenüber ebenso außer Acht wie deine unziemlichen Reden und deine Versuche, ihn einzuschüchtern. Als Tochter eines Pfarrers müsstest du wissen, dass ein Fluch in Gottes Namen ein schweres Verbrechen ist. Und als Enkelin eines Richters dürfte dir auch bewusst sein, dass es einen Verstoß gegen die Gesetze dieser Kolonie darstellt. Ich weiß nicht, wie dein Großvater in einem solchen Fall verfahren würde, doch hier am Gerichtshof wird ein solches Vergehen schwer bestraft. Nicht selten wird sogar ein Pfriem durch die lästerliche Zunge getrieben.«
Ohne es zu wollen, schlug ich mir die Hand vor den Mund. »Diese Art von Eiferertum ist genau der Grund, warum mein Großvater dieser Kolonie den Rücken kehrte und sich auf unserer Insel niederließ«, sagte ich. Mittlerweile tat mir wirklich der Kopf weh: ein scharfer, stechender Schmerz, das Gefühl, als bohre sich der Pfriem des Vollstreckers tatsächlich mitten durch meine Augen. Und doch hätte ich es besser wissen müssen. Hätte ich den Finger an ein glühendes Stück Eisen
Weitere Kostenlose Bücher