Inselglück
Trauerfeier.«
»Ashlyn«, sagte Connie, »was da passiert ist, tut mir leid.«
»Ich liebe Bridget so sehr«, sagte Ashlyn. »Und außerdem war sie meine beste Freundin.« Alle warteten, während Ashlyn weinte, und Connie dachte: Ich würde alles dafür tun, dass es ihr besser geht. Aber da gab es nichts. Natürlich gab es nichts, was irgendeiner von ihnen tun konnte.
»Was ist geschehen?«, fragte sie.
»Ich wollte ein Baby.«
Connie entfuhr unwillkürlich ein Laut, und sie presste die Lippen aufeinander.
»Und Bridget nicht«, sagte Ashlyn. »Ich wollte unbedingt und sie auf keinen Fall. Und als sie vor zwei Monaten herausfand, dass ich mich für eine künstliche Befruchtung beworben hatte, ist sie ausgezogen. Wir waren für zwei Tage getrennt, dann bin ich zu ihr gegangen und habe ihr gesagt, dass ich nicht ohne sie leben kann und auf ein Kind verzichten würde.«
»Will sie momentan keine Kinder?«, fragte Connie. »Oder grundsätzlich nicht?«
»Grundsätzlich nicht. Sie ist dabei, die beste Kinderherzchirurgin im Staat Florida zu werden, und irgendwann will sie die beste Kinderherzchirurgin landesweit sein. Sie meint, sie hat sich genug mit Kindern beschäftigt, um zu wissen, dass sie selbst keins großziehen könnte. Sie glaubt, sie ist zu egoistisch, zu ehrgeizig.«
»Aber das gilt doch auch für viele Männer«, sagte Connie. »Wenn du bereit bist, zu Hause zu bleiben … «
»Sie wollte trotzdem nicht«, sagte Ashlyn und fing wieder an zu weinen.
Connie drückte ihre Hand und dachte: Das ist die Hand meiner Tochter. Das ist alles, was ich mir gewünscht habe.
Meredith stellte einen Teller warmer Suppe mit einem großen Stück Baguette und ein Glas Wasser auf den Tisch. Toby räusperte sich und fragte: »Und warum habt ihr euch dann getrennt?«
Ashlyn rieb sich ihre roten Augen. Ihr Haar war unordentlich hochgesteckt. Sie sah aus, als hätte sie den ganzen Sommer über keine Sonne gesehen. Und doch war sie das absolut schönste Wesen, das Connie je erblickt hatte.
»Ich bin schwanger«, sagte Ashlyn. »Im April ist es so weit.«
Toby sprang überrascht auf, und Meredith sagte: »Oh Ashlyn, das ist wundervoll!«
Wolf! Wolf! Hast du das gehört?, dachte Connie.
Ashlyn weinte immer noch. »Und ich dachte, Bridget würde ihre Meinung ändern, wenn sie hört, dass wirklich ein Baby existiert.« Sie schniefte. Meredith brachte eine Schachtel Kleenex, und Ashlyn putzte sich die Nase. »Hat sie aber nicht.«
»Also bist du hier«, sagte Toby.
Ashlyn zerknüllte ihr Taschentuch. »Also bin ich hier.« Sie schaute Connie aus glasigen Augen an. »Ich war eine furchtbare Tochter, und ich weiß, dass ich keine zweite Chance verdiene, aber ich bin gekommen, weil ich nirgendwo anders hinkonnte.«
»Klingt vertraut«, sagte Meredith und legte Toby ihre Hände auf die Schultern.
Was ist das Wichtigste im Leben?, dachte Connie. Ausdauer? Ehrlichkeit? Die Fähigkeit zu verzeihen? Liebe?
Wolf, Ashlyn, Toby, Meredith, Dan. Ashlyn, Ashlyn, Ashlyn – Connies und Wolfs Tochter, ihr einziges Kind, gezeugt vor so vielen Jahren auf dem Rücksitz eines Pick-ups nicht weit von hier, unter einem Himmel voller Sterne. Ashlyn würde ein Baby bekommen. Sie war sehr wütend gewesen – hatte stillschweigend geschäumt vor Wut – , doch sie war zu Connie zurückgekehrt, weil Connie keine Sekunde lang aufgehört hatte, sie zu lieben. Bald würde Ashlyn es selbst wissen: Eltern hörten nie auf, ihre Kinder zu lieben.
Liebe also, befand Connie. Das Allerwichtigste ist Liebe.
Meredith
Meredith hatte das Gefühl, sie stünden alle vor ihrem Collegeabschluss, und jeder außer ihr wüsste, was als Nächstes kam.
Innerhalb von sechzehn oder siebzehn Stunden hatte sich Connies Leben (fast) ebenso drastisch verändert wie Merediths Leben im letzten Dezember – nur zum Besseren. Connie würde am Dienstag nach dem Labor Day nach Bethesda zurückkehren, wie geplant. Neu war allerdings, dass Ashlyn ihr Haus in Tallahassee zum Verkauf anbieten und wieder nach Bethesda zu Connie ziehen und auf unbestimmte Zeit dort wohnen würde. Sie würde das Baby zur Welt bringen, und Connie würde sich um das Kind kümmern, wenn Ashlyn wieder arbeiten ging. Sie hatte sich um eine Stelle in der Kinderonkologie am Washington Hospital Center beworben, und wenn sie den Job nicht bekam, würde sie sich woanders einen suchen.
»Es gibt eine Menge guter Krankenhäuser in Washington«, sagte Connie zu Meredith und Toby. »Und denkt bloß: Nächsten
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