Inselglück
und perfekt angemachten Blattsalaten. Danach wollten Meredith und Toby Rad fahren – vermutlich nur, um für sich zu sein – , aber wenn Connie allein zu Hause herumgesessen hätte, wäre sie durchgedreht, also kam sie mit. Sie radelten nach Sconset. Die Kletterrosen standen in zweiter Blüte, noch üppiger als im Juli. Dann beschlossen sie, die Polpis Road entlangzufahren. Das waren vierzehn Kilometer zusätzlich zu den dreien, die sie bereits zurückgelegt hatten. Connie war überhaupt nicht in Form, doch das Radeln belebte sie. Ihr Herz pumpte, und ihre Beine waren warm und kribbelten, und sie war von der frischen Luft und den Endorphinen von einer regelrechten Euphorie erfüllt. Es war das ideale Wetter – um die 23 Grad mit niedriger Luftfeuchtigkeit und mildem Sonnenschein. Der Herbst war nicht mehr fern. Vielleicht war es dieser Gedanke, der Connie vorschlagen ließ, in die Stadt zu fahren und nicht zurück nach Tom Nevers.
»In die Stadt?«, fragte Toby. »Bist du sicher?«
»Wir könnten Eis essen gehen«, sagte Connie.
Sie radelten noch einmal drei Kilometer in den Ort, und danach war Connie völlig ausgelaugt. Erschöpft ließ sie sich auf einen Hocker an der Theke der Nantucket Pharmacy fallen, die neben Medikamenten auch Snacks und Süßigkeiten anbot. Meredith und Toby setzten sich neben sie, und alle drei bestellten sich einen Schokoladenfrappé. Es waren viele Leute hier – überwiegend ältere, die Rezepte einlösen wollten, sowie gestresst wirkende Mütter mit aufsässigen Kindern, die Streusel für ihr Eis verlangten – , aber keiner schien Meredith zu bemerken, und noch ungewöhnlicher war, dass es Meredith anscheinend nicht kümmerte, ob jemand Notiz von ihr nahm. Sie befasste sich mit einem kleinen Mädchen, deren Pfefferminzeiscreme drohte, in den Schoß ihres handbestickten Kleides zu rutschen. Das kleine Mädchen war ungefähr sechs und hatte einen perfekten blonden Bubikopf. Das kleine Mädchen war exakt Meredith Martin im Alter von sechs Jahren.
»Komm, ich helfe dir«, sagte Meredith und schob das Eis mit einem Löffel zurück in die Waffel.
»Vielen Dank«, sagte die Mutter der Kleinen.
Meredith lächelte und murmelte Connie zu: »Sie sieht aus wie ein Mädchen, das ich in Palm Beach kennen gelernt habe.« Ihre Miene verdüsterte sich, die Dämonen griffen an, und Connie dachte: Wir müssen weg hier, solange alles noch okay ist.
Sie schob sich von ihrem Hocker, und sogar dabei taten ihr die Beine weh. »Nach Hause schaffe ich es nie im Leben«, erklärte sie. »Wir müssen ein Taxi rufen.«
»Gott sei Dank, dass das von dir kam, Nance Armstrong«, sagte Toby.
Sie riefen ein Taxi, das die Räder mitnehmen konnte, und fuhren erschöpft und schweigend nach Tom Nevers.
Es war sechs Uhr. Nacheinander gingen sie unter die Außendusche, Meredith als Letzte.
»Damit du drinbleiben kannst, solange du willst«, sagte Connie.
»Du bist so gut zu mir«, sagte Meredith.
»Wer war das kleine Mädchen in Palm Beach?«, fragte Connie.
»Lange Geschichte«, entgegnete Meredith.
Connie hätte sich gern ein Glas Wein eingeschenkt – und wie gern – und hatte es sich nach über zwanzig Kilometern Radfahrt und in Abwesenheit von Dan und angesichts der Glückseligkeit von Meredith und Toby eigentlich auch verdient, doch sie entschied sich dagegen. Sie kochte Pasta und servierte sie mit der Senf-Schalotten-Sahnesauce, die sie und Meredith vormittags zubereitet hatten, und ein paar Brötchen. Sie aßen auf der Terrasse und ließen es sich schmecken. Danach räumten sie auf, und Toby fragte, ob sie einen Film sehen wollten. Meredith stimmte zu, Connie dagegen sagte, sie sei müde und wolle lieber nach oben gehen und lesen.
»Und auch das nicht lange«, fügte sie hinzu. »Ich bin k. o. …«
»Es war ein guter Tag«, fand Meredith.
»Und das Essen war sehr lecker«, sagte Toby. »Danke.«
Connie schloss die Tür ihres Schlafzimmers und dachte: Den ersten Tag ohne Dan habe ich überlebt. Aber wie sollte sie drei weitere Tage schaffen? Und was, oh was nur würde sein, wenn sie abgereist war?
Sie liebte ihn.
Sie setzte sich auf die Kante ihres Bettes. Moment mal. Es ging nicht an, dass sie jemand anderen als Wolf Flute liebte. Also liebte sie Danforth Flynn nicht. Aber oh Gott, ihr Herz zersprang bei der Aussicht auf auch nur drei Tage ohne ihn. Der Radiowecker stand auf dem Nachttisch. Connie stellte ihn an, und dann kam ihr eine Idee.
Nein, die Idee war blöd, so klischeehaft. Doch ehe
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