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Inselglück

Inselglück

Titel: Inselglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hilderbrand
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Cape May, meinte er, um dort als erster Maat auf einem Segelboot zu arbeiten, und würde den ganzen Sommer weg sein, das wisse sie doch. Ja, sagte sie, aber es sei abgemacht gewesen, dass sie ihn besuchen würde. Jedes Wochenende!
    »Stimmt«, sagte er. »Aber ich glaube, es ist besser, wenn ich frei bin.«
    »Besser für wen?«
    »Besser für mich.« Und dann erklärte er noch, er möge Merediths Eltern zwar gern, aber er wolle nicht werden wie sie. Jedenfalls noch nicht und vielleicht nie. »Außerdem gehst du im Herbst nach Princeton. Da hast du so viele Möglichkeiten … «
    »Verdammte Scheiße!«, schrie Meredith. Sie dachte an die Geschichten, die über Divinity Michaels im Umlauf waren: Angeblich hatte sie sich in der Kammer des Hausmeisters eingeschlossen und gedroht, die Ammoniaklösung zu trinken. Jetzt verstand Meredith, wieso. »Sei nicht so gönnerhaft!«
    »Okay«, sagte Tony. Sein Gesichtsausdruck war besorgt, aber wahrscheinlich nur deswegen, weil sie geflucht hatte – was sie sonst nie tat –, und er befürchtete, sie würde durchdrehen wie seine anderen Exfreundinnen. »Meredith, es tut mir leid. Ich kann nichts an meinen Gefühlen ändern.«
    Meredith weinte in ihrem Zimmer; sie weinte, wenn sie mit Connie telefonierte (die, wenn Meredith sich nicht täuschte, regelrecht glücklich über die Trennung zu sein schien), sie ließ Mahlzeiten aus, und ihre Eltern sorgten sich. Wenn Chick Martin mit Meredith auf dem Parkplatz der Universität für ihre Fahrprüfung üben wollte, führte das nur dazu, dass sie stundenlang heulte und ihr Vater versuchte, sie zu trösten.
    »Ich halte es nicht aus, dich so leiden zu sehen«, sagte Chick. »Wir fühlen uns ganz hilflos, deine Mutter und ich. Möchtest du, dass ich mit Toby rede?«
    »Nein«, entgegnete Meredith. Ihr Vater konnte viele Wunder bewirken, aber er konnte Toby nicht dazu bringen, dass er sie liebte.
    Es dauerte zwei Tage, bis Merediths Brille fertig war und sie ihre Verwandlung bewerkstelligen konnte. Sie setzte die dunkle Perücke mit den Zöpfen auf und die neue, ungerahmte Brille. Die Gläser schienen vor ihren Augen zu schwimmen. Sie boten keine Abgrenzung, wie es die für sie typische Hornfassung getan hatte.
    »Genau richtig«, sagte Connie. »Vertrau mir.«
    Es stimmte, dass Meredith mit Perücke und neuer Brille ganz verändert aussah. Aus der Ferne hätte selbst Freddy sie nicht erkannt.
    Am Samstagmorgen schlug Connie vor, sie sollten in der Stadt einkaufen gehen. Meredith lehnte ab. Stadt bedeute andere Menschen, und andere Menschen, das schaffe sie nicht.
    »Aber du hast die Stadt noch gar nicht gesehen«, meinte Connie.
    »Ich sehe sie mir ein andermal an.«
    »Wann zum Beispiel?«, fragte Connie.
    »Wenn sie weniger bevölkert ist«, sagte Meredith. Ihr schwebte eine Nacht Mitte März vor. »Wenn die Chance, erkannt zu werden, nicht so groß ist.«
    Connie argumentierte, je mehr Leute unterwegs seien, desto unwahrscheinlicher sei es, dass Meredith jemandem auffallen würde. Außerdem seien Wolf und sie immer am Samstagvormittag in der Stadt einkaufen gegangen; das mache man hier so.
    »Jemand beobachtet mich«, wandte Meredith ein.
    »Die Polizei hat ein Auge darauf. Schließlich wirst du nicht an sieben Tagen in der Woche vierundzwanzig Stunden lang beobachtet.«
    »Aber so fühlt es sich an.«
    »Das war eine Taktik, um dir Angst einzujagen, Meredith. Die wollen, dass es sich so anfühlt. Aber sie dürfen nicht gewinnen. Wir leben unser Leben, und wenn sie dich heute beobachten, dann beobachten sie dich eben beim Einkaufen in der Stadt.«
    Meredith hatte kaum Gegenargumente, und sie wünschte sich sehnlichst, das Haus zu verlassen. Sobald sie im Zentrum waren, wurde ihr klar, dass Connie recht gehabt hatte: Auf der Main Street herrschte ein so munteres Getümmel, dass keiner auf die Idee kam, Meredith Beachtung zu schenken. Überall waren Leute – Eltern, die Kinderwagen schoben, händchenhaltende Paare, ältere Männer in rosa Polohemden, die Golden Retriever ausführten, Frauen in schicken Röcken mit Einkaufstüten aus eleganten Boutiquen. Früher hätte auch Meredith zu ihnen gehören können. Jetzt konnte sie sich so etwas natürlich nicht mehr leisten. Aber es machte Spaß, Teil dieser Menge zu sein. Sie und Connie blieben am Wagen der Bartlett Farm stehen, und Meredith weidete sich am Anblick der frischen, biologisch angebauten Produkte, die sich auf der schräg nach vorn gekippten Ladefläche in sechzehn viereckige

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