Inselglück
spürte Amys Blick auf sich. Sie konnte Amys Füße und Beine sehen. Sie trug ihre weißen Tretorns mit den rosa Streifen, dieselben Schuhe, mit denen sie im Everglades Club Tennis gespielt hatte. Meredith schloss die Augen und zählte bis zwanzig. Sie spürte eine Hand auf ihrem Arm.
»Hey, alles in Ordnung mit dir?«, fragte Connie.
Meredith schaute auf. Amy war verschwunden.
»Ja«, sagte sie und trat an die Theke, um ihre Bücher zu bezahlen.
Dieser Fast-Zusammenstoß reichte, um in Meredith Fluchtgedanken zu wecken – sie wünschte sich zurück nach Tom Nevers! Connie jedoch wollte unbedingt weiterziehen. Sie gingen in einen Geschenkeladen, wo Connie ihr all die witzigen Sprüche auf den Cocktailservietten vorlas und Meredith ein Lächeln vortäuschte. Sie hatte in der Buchhandlung nicht aufgepasst und wäre beinahe ins offene Messer gelaufen. Sie musste ständig auf der Hut sein; sie würde sich nie sicher fühlen.
Sie schlenderten weiter und sahen im Schaufenster von Patina die hohen, unfassbar eleganten Kerzenständer von Ted Muehling.
»Davon kostet ein einziger so um die achthundert Dollar«, sagte Connie.
Meredith erwähnte nicht, dass sie in ihrem früheren Leben direkt in den Laden gerauscht wäre und vier oder sechs Kerzenständer in verschiedenen Größen gekauft hätte. Dann hätte sie die im Pariser Printemps erstandenen handgegossenen Bienenwachskerzen hineingesteckt, sie in den nächsten Tagen einige Male liebevoll betrachtet und dabei das Kribbeln verspürt, das der Erwerb schöner, teurer Dinge in ihr auslöste. Doch nach einer Woche hätte sich das Kribbeln verflüchtigt, wären die Kerzenständer nur noch Objekte gewesen, die Louisa abstauben musste, und Meredith hätte sich das Nächste gewünscht – es gekauft, dann vergessen. Was für ein schändlicher Lebensstil, auch wenn sie geglaubt hatte, das Geld, das sie ausgab, gehöre ihr! Sie fragte sich, ob sie wohl jemals wieder etwas so Frivoles wie diese Kerzenständer kaufen würde.
Sie kamen zu den Vanessa-Noel-Schuhen. Fantastische Schuhe – aus Wildleder, Schlangenleder, Lackleder, mit Pailetten besetzt. Es gab Sandalen und Sandaletten und Riemchenpumps und Peeptoes. Connie probierte ein Paar rosa Riemchenpumps an, die vorn mit grob gerippter, gestreifter Seide verziert waren. Sie passten perfekt, und ihre Beine sahen darin umwerfend aus. Sie war so groß, so schlank. Meredith verspürte Neid, aber daran war sie gewöhnt.
»Sie sind toll«, sagte sie. »Du solltest sie kaufen.«
»Ich glaube, das mache ich. Aber bei welcher Gelegenheit trage ich die?«
»Bei einem Date mit Dan Flynn vielleicht?«
Connie schaute Meredith schockiert, entsetzt, vielleicht sogar verärgert an. War Meredith ihr zu nahe getreten? Connie trauerte immer noch um Wolf. Meredith hatte bemerkt, dass sie jede Nacht unter einer Wolldecke auf dem Sofa schlief, und als sie Connie darauf ansprach, hatte sie gesagt: Ich kann nicht ohne ihn in unserem Bett schlafen. Das fand Meredith ein wenig seltsam. Es war zweieinhalb Jahre her! Sie hatte es nicht kommentiert, jetzt aber wohl einen Fauxpas begangen.
Doch Connie sagte verschmitzt: »Ich kaufe sie!«
Während Connie bezahlte, nahm Meredith ein Paar silberne Stilettos, besetzt mit milchig-blauen Steinen, zur Hand. Bildschön, originell – sie hätten gut zu dem blauen Plisseeseidenkleid gepasst, das sie auf dem Cap d’Antibes zurückgelassen hatte, zu einem Kleid also, das ihr nicht mehr gehörte. Sie sollten vierhundertfünfundneunzig Dollar kosten.
Nein.
Auf dem Rückweg kaufte Connie bei Nantucket Looms noch eine Wildblütenseife, die ihr gut gefiel. Ein Stück weiter lag die katholische Kirche St. Mary’s, errichtet aus grauen Holzschindeln mit weißen Zierleisten – wie fast jedes Bauwerk auf der Insel – , und davor stand eine schlichte weiße Statue der Jungfrau Maria. Sie streckte ihre Hände auf eine Weise aus, die Meredith einladend fand.
»Ich gehe rein und zünde eine Kerze an, okay?«, sagte sie.
Connie nickte und setzte sich auf eine Bank. »Ich warte hier.«
Meredith betrat die Kirche und atmete den schwachen Duft von Weihrauch ein; heute Morgen musste hier eine Trauermesse gefeiert worden sein. Sie ließ drei Dollar in den Schlitz gleiten und verspürte Gewissensbisse – drei kostbare Dollar! Die erste Kerze zündete sie für Leo an. Es war die Aufgabe eines Vaters, seine Kinder zu beschützen, und Freddy hatte versagt. Er hatte sich so sehr gewünscht, dass seine Söhne mit ins
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