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Inselglück

Inselglück

Titel: Inselglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hilderbrand
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okay, wenn wir zu mir fahren?«, hatte sie ja gesagt. Sie war weit weg von zu Hause und wusste nicht, wie sie zurückkommen sollte. Sie folgte ihm.
    Als Nächstes registrierte sie, dass sie sich auf dem Bett küssten. Dustin Leavitt lag auf ihr und versuchte angestrengt, ihr die Strumpfhose abzustreifen. Ihre Schuhe waren heruntergefallen, und ihr großer Zeh ragte aus dem Stoff. Meredith konnte sich nicht entscheiden, ob sie Dustin helfen oder sich wehren sollte. Sie wünschte, sie wäre woanders. Wie konnte sie ihn bremsen? Sie hatte die Situation herausgefordert.
    Mit einem Ruck zog er ihr die Strumpfhose aus und steckte einen Finger in sie. Es tat weh. Sie war nach Toby, also seit Juni, mit niemandem zusammen gewesen.
    »Eng«, sagte Dustin.
    Meredith hatte Angst, sich gleich übergeben zu müssen. Dustin Leavitt zog sich ein Kondom über. Meredith atmete durch den Mund ein und aus, damit die Übelkeit verging. Sie würde nicht an die Käsesteaks mit den kalten, fettigen Zwiebeln auf dem Esszimmertisch der O’Briens denken, nicht an Kot in Katzenstreu, nicht an ihren Vater, auf seinem Schreibtisch zusammengebrochen und aus einem Auge blutend.
    Dustin Leavitt drang in sie ein.
    Das, dachte Meredith, passiert einem Mädchen eben, das seinen Vater verloren hat. Es wird vergewaltigt .
    Und gibt sich dann selbst die Schuld daran.
    Über Weihnachten blieb Meredith zu Hause und ließ auf ihrem Plattenspieler immer wieder »Bridge Over Troubled Water« laufen. If you need a friend, I’m sailing right behind. Verwandte und Nachbarn kamen, um den Christbaum aufzustellen und wundervolle Mahlzeiten zuzubereiten, die Meredith und ihre Mutter nicht aßen. Die Feiertage waren ein bunt verpackter Karton ohne Inhalt. Toby rief an, doch Meredith weigerte sich, mit ihm zu reden. Sie bat ihre Mutter, mit ihm zu sprechen.
    »Er richtet dir sein Beileid aus«, sagte ihre Mutter. »Er sagt, dass er Chick geliebt hat und in bester Erinnerung behalten wird.«
    Beileid? In bester Erinnerung? Was für Ausdrücke waren das denn? Toby hatte Chick geliebt, aber Meredith liebte er nicht mehr. Sie war fuchsteufelswild und erwog, ihn zurückzurufen und ihm zu erzählen, dass sie mit Dustin Leavitt geschlafen hatte. Ob ihm das etwas ausmachen würde?
    Sie fragte Connie, als sie sich auf ein Bier im Bennigan’s trafen. Connie wollte sich nicht festlegen.
    »Versuch, Toby zu vergessen«, riet sie. »Er ist ein hoffnungsloser Fall.«
    Und Meredith versuchte, ihn zu vergessen. Um sich abzulenken, lernte sie. Als seltene Variante von Folter wurden in Princeton nach Weihnachten Prüfungen abgehalten. Zurück auf dem Campus, schnitt Meredith, obwohl sie nur noch ein Schatten ihrer selbst war, großartig ab. Nichts als Einser.
    In der ersten Woche des neuen Semesters begegnete sie Freddy.
    »Ich habe das mit deinem Vater gehört«, sagte er. »Es tut mir sehr leid.«
    Das wurde mit mehr Ernst geäußert, als Meredith es von Altersgenossen gewöhnt war. Connie hatte sie umarmt und ihr zugehört und Gwen auch, doch Meredith merkte, dass sie sie nicht richtig verstanden. Sie spürte ihr Mitleid, nicht aber ihre Empathie. Sie behandelten sie wie eine Kranke. Und Gwen, die ihren eigenen Vater hasste, hatte sogar ein bisschen neidisch geklungen.
    Doch bei Freddy nahm sie tiefere Empfindungen wahr.
    »Danke«, sagte sie. »Hat Trina es dir erzählt?«
    »Nein, Gwen. Aber als Trina im Unterricht auftauchte, wusste ich, dass das nichts Gutes bedeutet. Sie ist hier allgemein als Todesengel bekannt.«
    »Ach so.« Meredith wünschte sich, sie müsste Trina nie wiedersehen. Sie erinnerte sich, wie interessant noch vor wenigen Wochen Trinas Kleidung und Accesssoires und Manierismen für sie gewesen waren – erstaunlich, wie sich das verändert hatte. Sogar Merediths Zuneigung zu Freddy war verblasst im Vergleich zu der wahren Liebe ihres Lebens. Nie mehr würde sie die stetige, bedingungslose, stärkende Liebe ihres Vaters spüren. Es war nicht fair, es war einfach nicht fair! Die ganze Woche über hatte Meredith zwischen herzzerreißender Traurigkeit und unglaublicher Wut geschwankt.
    Meredith und Freddy gingen eine Weile schweigend nebeneinander her. Meredith wusste nicht, wohin Freddy wollte; sie selbst war jedenfalls zur psycholgischen Beratungsstelle unterwegs, wo sie jeden Tag eine Frau namens Elise aufsuchte und kaum mehr tat, als sich durch ihre fünfzigminütigen Sitzungen zu schluchzen.
    »Mein Bruder David ist letztes Jahr gestorben«, sagte Freddy.

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