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Inselglück

Inselglück

Titel: Inselglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hilderbrand
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genug im Schreien inne, um Trina anzuschauen und zu denken, wie sehr sie sie hasste, den Geruch von Nelkenzigaretten hasste, die Stadt Istanbul hasste, die Schönheit und Kultiviertheit hasste, die den zur Übermittlung einer solchen Nachricht erforderlichen Sadismus verschleierten. »Nein, du irrst dich«, sagte sie.
    »Ich begleite dich zu deiner Wohnung, damit du deine Sachen packen kannst«, entgegnete Trina. »Ein Wagen wird dich nach Hause bringen.«
    An jenem Tag hatte die Welt aufgehört, ein sicherer Ort zu sein. So glücklich Meredith auch oft in ihrem Leben gewesen war, sie war nie wieder richtig glücklich gewesen. Ihren Vater und seine Liebe gab es nicht mehr. Sie dachte zurück an die Fahrstunden auf dem Universitätsparkplatz. Ich halte es nicht aus, dich so leiden zu sehen, hatte Chick gesagt. Der Schmerz, den Toby Meredith zugefügt hatte, war eine Sache. Dieser Schmerz jetzt war eine ganz andere.
    Siebenhundertfünfzig Menschen nahmen an der Trauerfeier für Chick Martin teil – seine Anwaltskollegen, seine Pokerspezis, Freunde, Nachbarn, Merediths Lehrer, alle, die sie kannte, so schien es. Connie war da mit ihren Eltern, aber ohne Toby – er stand am College of Charleston kurz vor der Prüfung und konnte nicht weg.
    Auch Dustin Leavitt kam.
    Dustin Leavitt? Zuerst wusste Meredith nicht, wer da aus der Schlange auf sie zutrat. Es waren so viele Leute aus so vielen Bereichen ihrer Vergangenheit anwesend, dass sie Probleme hatte, Gesichtern Namen zuzuordnen. Beim Anblick von Dustin Leavitt registrierte sie sein gutes Aussehen und dachte, er sei jemand, den sie aus Princeton kannte – ein Professor? Ein Doktorand? Dann fiel es ihr ein – Dustin Leavitt, dreiunddreißig, Mitarbeiter von Mr O’Brien bei Philco, mit dem sie auf Connies Party getanzt hatte. Sie hatte ihn völlig vergessen.
    »Hi!«, sagte Meredith und versuchte, so normal zu klingen, als wäre sie in einer Sitznische in Minella’s Diner plötzlich auf Dustin Leavitt gestoßen und stünde nicht anlässlich der Beisetzung ihres Vaters vor dem Altar von St. Thomas in Villanova. Ihre Situation war ihr peinlich, und dann schämte sie sich über ihre Verlegenheit.
    »Ihr Verlust tut mir sehr leid, Meredith«, sagte Dustin Leavitt. »Jeder in dieser Kirche weiß, wie sehr Ihr Vater Sie geliebt hat.«
    »Oh«, entgegnete Meredith. Neue, heiße Tränen wallten in ihr auf. Dustin Leavitt trat zu Merediths Mutter, um zu kondolieren, dann zu Annabeth Martin, ihrer Großmutter, und dann war er verschwunden, verschluckt von einem Meer aus dunklen Anzügen.
    Später sah sie ihn beim Empfang und noch später beim Nach-Empfang, einem improvisierten Treffen bei den O’Briens. Merediths Mutter und Großmutter waren nach Hause gegangen, Meredith dagegen hatte sich an Connie und Veronica und Bill O’Brien gehalten und an die anderen Trauergäste, die zum größten Teil schon betrunken waren, aber wegen der frühen Stunde – sechs Uhr – und dem mageren Essensangebot im Country Club fanden, dass weitere Drinks sowie Pizza und Käsesteaks bei den O’Briens verlockender waren als der Heimweg. Meredith erinnerte sich kaum an die Ereignisse des Tages – sie hatte um neun Uhr morgens eine Beruhigungstablette genommen – , und als sie bei den O’Briens ankamen, war sie betrunkener als Connie und Veronica, und das wollte etwas heißen. Sie meinte, endlich den wahren Zweck von Alkohol erkannt zu haben – bewusst Gedanken auszuschalten, die zu quälend waren. Dustin Leavitt tat das Seine, um Trost zu spenden, indem er Meredith ein hohes Glas mit sehr kaltem Sekt brachte.
    »Die Leute denken, Sekt ist zum Feiern da«, sagt er. »Aber ich trinke ihn gern, wenn ich unglücklich bin.«
    Meredith wusste, dass sie irgendwo in sich eine geistreiche Antwort darauf hatte, aber die war vergraben unter einem Haufen zertrümmerter Kindheitserinnerungen und drang nicht zu ihr durch. Sie hob ihr Glas Dustin Leavitts hübschem, wenn auch zunehmend verschwommenem Gesicht entgegen und sagte: »Auf das Unglück.«
    Sie stießen an. Sie tranken. Im Esszimmer, wo der Tisch mit Pizzaschachteln und in Folie gewickelten Sandwiches und Kartons voller kringeliger Fritten beladen war, schmiegte Connie sich in die Arme von Drew Van Dyke, der von der Johns Hopkins nach Hause gekommen war, um ihr in Zeiten der Not beizustehen. Schließlich war der Vater ihrer besten Freundin gestorben. Meredith verspürte einen Anflug von Verwirrung. Sicher, Connie hatte Chick Martin lieb gehabt,

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