Inselglück
zweiten Wein trinken.
Dan machte wieder einen Hechtsprung und wartete dann wassertretend auf Connie. Connie ließ das Brett wippen, wie sie es bei Dan und Meredith gesehen hatte, aber es federte stärker, als sie angenommen hatte – entweder das, oder sie war nicht so standfest wie die beiden – , und sie verlor das Gleichgewicht und musste wie in einer lustigen Varieténummer mit den Armen um sich schlagen, um nicht ins Meer zu fallen.
»Okay«, sagte sie, richtete sich wieder auf und trat ans Ende des Brettes. In der Ferne sah sie den Leuchtturm von Great Point. Über ihr flogen Möwen, und ein paar Wolkenfetzen huschten vorbei. Sie hatte keine Lust zu springen. Es gefiel ihr hier oben auf ihrem Ausguck.
Sie sprang hoch, legte die Arme über den Kopf und tauchte ins Wasser ein, viel schneller und härter, als sie erwartet hatte. Ihre Brust, in der sie das goldene Chardonnay-Glühen verspürt hatte, schmerzte von dem Aufprall. Und sie hatte Wasser in der Nase, das kitzelte und brannte, und das Brennen rann ihr in die Kehle. Sie wischte sich die Augen, rückte ihr Bikinioberteil zurecht, befingerte ihre Haare.
»Na bitte!«, sagte Dan. »Gut gemacht!« Aber für Connie klang es gönnerhaft.
»Das Wasser ist eiskalt«, behauptete sie, obwohl das eigentlich nicht stimmte. Sie wollte zurück aufs Boot. Doch hier kam wieder Meredith.
»Okay, ein letztes Mal«, sagte sie.
»Was wird es denn?«, fragte Dan.
Meredith lief zum Ende des Brettes, sprang hoch und warf sich in einen weiteren anderthalbfachen Vorwärtssalto, der allerdings nicht vollkommen gelang, und sie tauchte zu früh ein, wodurch sie einen dicken Platscher verursachte. Trotzdem gab Connie ihr per Handzeichen die Bestnote: eine Zehn. Meredith ruckte mit dem Kopf. »Wasser im Ohr«, sagte sie.
Erst als Connie zur Leiter zurückschwamm, bemerkte sie den in goldenen Buchstaben geschriebenen Namen des Bootes: Nicky.
Nicky?, dachte sie. Und dann dämmerte es ihr: Nicole, die Ehefrau. Nicky.
Sie verspürte etwa zehn Arten von Traurigkeit, als sie sich an Bord hievte.
Aber das war nichts, was sich mit einem zweiten und dann einem dritten Becher Wein nicht kurieren ließ. Dan machte sich ein Bier auf, und Meredith trank einen Eistee light. Connie gefiel es nicht, dass sie ins Meer abkommandiert worden war, doch es gefiel ihr, in der Sonne zu trocknen und zu fühlen, wie das Salzwasser auf ihrer Haut verdunstete.
Merediths Perücke lag neben ihr wie ein armes, verlassenes Tier. Connie hielt sie mit zwei Fingern hoch.
»Ich wünschte, du müsstest die nicht tragen«, sagte sie.
»Gib sie mir«, sagte Meredith.
»Wenn die Leute dich doch in Ruhe ließen«, fuhr Connie fort. Sie merkte, wie der Wein in ihrem Gehirn zirkulierte und es einbalsamierte. » Uns in Ruhe ließen.«
Verlegenes Schweigen. Meredith ruckte noch einmal mit dem Kopf, um ihr Ohr freizubekommen. Connie hoffte, dass sie sie nicht gehört hatte; die Worte hatten falsch geklungen.
»Ich weiß nicht, wie es euch geht«, sagte Dan, »aber ich könnte was essen.«
Mittagessen, ja! Begeistert packte Connie die Kühlbox aus. Es gab zwei Sorten von Sandwiches: Geflügelsalat auf Weizenbrot und Roastbeef mit Schweizer Käse und Meerrettich auf Roggenbrot. Es gab Kartoffelsalat, den Connie selbst gemacht hatte, sowie kalte Gurkensuppe mit Dill. Es gab einen Obstsalat aus Wassermelone, Erdbeeren und Blaubeeren. Es gab Schokoladentörtchen mit Erdnussbutterglasur.
»Wahnsinn«, sagte Dan. Er nahm sich ein Sandwich von jeder Sorte, eine Riesenportion Kartoffelsalat und einen Napf Suppe. »Das hast du alles selbst gemacht?«
»Meredith springt gern«, entgegnete Connie. »Und ich koche.« Das könnte vielleicht ein Gleichgewicht herstellen, dachte sie und biss von ihrem Geflügelsalat-Sandwich ab. »Mochte deine Frau das Boot?«, fragte sie.
Dan nickte. »Sie hat es geliebt.«
»Hast du es nach ihr benannt?« Sogar in ihren eigenen Ohren klang ihre Stimme streitsüchtig, obwohl Connie nicht sicher war, warum. Natürlich war das Boot nach seiner Frau benannt, und wieso spielte das eine Rolle? Es war sein Boot; es gehörte ihm seit langem, länger als die fünf Tage, die er Connie kannte. Und zwischen ihm und Connie war sowieso nichts gewesen bis auf einige großartige Küsse. Aber war es nicht trotzdem ein bisschen seltsam, eine Frau, die man einige Male geküsst hatte, auf ein Boot mitzunehmen, das nach der toten Ehefrau benannt war?
»Wir hatten auch ein Boot«, sagte Meredith wehmütig und
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