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Inselglück

Inselglück

Titel: Inselglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hilderbrand
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aufsehenerregend wie die Bibliothekarin in einer Leihbücherei. Nach Connie dagegen drehten sich etliche Frauen um; sie sah bezaubernd aus.
    Connie meldete sie bei der Rezeptionistin an, die eine Kaskade üppiger goldener Löckchen schmückte. Meredith stellte sie als »Maryanne Martin« vor. Die Rezeptionistin nahm kaum Notiz von ihr; vielleicht wunderte sie sich insgeheim nur, warum Meredith nicht hier war, um etwas mit ihrer grauenhaften Frisur anstellen zu lassen. Es war eine Erleichterung, übersehen zu werden, aber Meredith musste unwillkürlich an Pascal Blanc in den Tagen denken, in denen Freddys Fonds nahezu dreißig Prozent Rendite abgeworfen hatten. Wenn sie den Salon betreten hatte, wäre fast allgemeiner Beifall ausgebrochen. Meredith war illusionsfrei genug gewesen, um zu wissen, dass die Arschkriecherei nichts mit ihr zu tun hatte, sondern nur mit Geld, aber dennoch hatte sie geglaubt, dass das Personal sie mochte. Schließlich war sie ein realer Mensch, trotz ihrer vielen Millionen. Und doch hatte ihr keine der Mitarbeiterinnen oder der Frauen, die sie in dem Salon kennen lernte, die Stange gehalten. Sie musste zugeben, es hatte sie überrascht, dass sie in den dreißig Jahren, die sie mit Freddy zusammen war, anscheinend keine einzige echte Freundin gewonnen hatte; sie hatte keine einzige menschliche Beziehung geknüpft, die den erdbebenartigen Erschütterungen nach dem Kollaps von Freddys Firma widerstand. Absolut alle hatten sie im Stich gelassen – bis auf Connie.
    »Hier entlang«, sagte die Rezeptionistin. Sie führte sie in den angrenzenden Raum und zeigte beiden ihre Pedikürewannen. Als Meredith auf ihren Hocker steigen wollte, merkte sie, dass sie vergessen hatte, einen Nagellack auszuwählen, und entschied sich für ein dunkles Lila: Paris um Mitternacht.
    Meredith hatte Paris mehr als einmal um Mitternacht erlebt – jedes Mal, wenn sie auf dem Cap d’Antibes Urlaub gemacht hatten, waren sie nach Paris geflogen und dann in einem Triumph Spitfire, den Freddy im Hangar in Orly untergebracht hatte, an die Küste gefahren. Oft musste Meredith in Paris Einkäufe erledigen – sie hielt im Printemps gern nach Kerzen und Tischwäsche Ausschau und gönnte sich bei Pierre Hermé bunte Macarons.
    Ihr Leben war ein einziger Konsumrausch gewesen. Wieso hatte sie das nicht gesehen?
    Die Nagelspezialistin erschien. Sie stellte sich als Gabriella vor und fragte Meredith – die sie »Marion« nannte – , ob sie einen Cappuccino wolle. Meredith war mutig genug, ja zu sagen.
    Gabriella hatte einen Akzent, osteuropäisch vielleicht. Meredith hatte die Namen und Lebensgeschichten aller Mädchen gekannt, die bei Pascal Blanc arbeiteten. Die Handpflegerin, die sie immer bediente, Maria José, hatte einen Sohn namens Victor, der in Brooklyn zur Schule ging. Meredith hatte einmal eine Musicalaufführung seiner Highschool besucht, Fußballfieber, in der Victor den Teufel spielte. Meredith war hingegangen, weil sie Maria José sehr gern mochte und ihr Interesse bekunden wollte, und Maria José war in solche Ekstase darüber geraten, dass Meredith Delinn den weiten Weg bis nach Red Hook auf sich nahm, nur um Victor zu sehen, dass Merediths Anwesenheit Victors Auftritt in den Schatten stellte und Meredith deswegen ein schlechtes Gewissen hatte. Als sie Freddy das erklärte, küsste er sie auf die Wange und sagte: Ach ja, ich weiß, es ist schwer, Meredith Delinn zu sein.
    Hier, bei RJ Miller, unterhielt sich Meredith nicht mit Gabriella. Sie versteckte sich hinter einer Vogue, die voller Bilder von trendigen und schönen Dingen war, die sie sich nicht mehr leisten konnte, und versuchte, das Verwöhntwerden zu genießen. Über den Rand der Zeitschrift hinweg verfolgte sie das Kommen und Gehen im Salon. Immer wenn eine neue Kundin hereinkam, ertönte eine Glocke, und Meredith schreckte zusammen. Einmal zuckte ihr Fuß dabei, und Gabriella sagte: »Oh nein! Ich habe Ihnen wehgetan?«
    »Nein, nein«, beruhigte Meredith sie. Sie schloss die Augen, lehnte sich zurück und lauschte dem klatschenden Geräusch, mit dem Gabriella ausgiebig Pflegelotion auf ihre Füße und Waden auftrug.
    Neben ihr schmolz Connie vor Glück dahin. »Eine Wonne, oder?«, sagte sie.
    »Mmmmmm«, entgegnete Meredith. Theoretisch war es eine Wonne, aber sie konnte sich nicht entspannen. Sie wollte die Sache hinter sich bringen und von hier verschwinden. Sie beugte sich vor, um die letzten Schritte der Pediküre zu beobachten, als ob sie einem

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