Inselglück
bemerkt. Schließlich war jetzt Cocktailstunde. Überdies stand es ihr nicht zu, zu kritisieren oder zu rügen. Connie hatte Meredith das Leben gerettet, sie hierher mitgenommen und in die Lage versetzt, einen Tag wie heute zu genießen. Wenn Connie trinken wollte, würde Meredith sie nicht dafür tadeln.
Jetzt allerdings schalt sie sich nachlässig. Dan half Connie auf ihren Stuhl, und sie sackte nach vorn. Er zog für sie das Fleisch aus ihrem Hummer. Meredith tat mit ihrem eigenen Hummer dasselbe und dachte, es sei sicher das Beste, sich normal zu verhalten und zu versuchen, das Essen hinter sich zu bringen. Sie holte Connie ein Glas Eiswasser mit einer hauchdünnen Zitronenscheibe, wie sie es gernhatte. Dann nahm sie sich einen Maiskolben und etwas Salat. Sie war beeindruckt davon, dass Connie in ihrem Zustand in der Lage gewesen war, eine Mahlzeit zuzubereiten. In der Küche konnte sich Meredith einiges von Connie abschauen. In nicht allzu ferner Zukunft würde der Tag kommen, an dem sie selbst würde kochen müssen, und das hatte sie nie gelernt. Sie schämte sich dafür. Ihre Mutter war die klassische Hausfrau ihrer Zeit gewesen – Saltimbocca, sonntags Hähnchen und Klöße und der beste Thunfischsalat, den Meredith je gekostet hatte. Meredith konnte Würstchen erhitzen und Spiegeleier oder Rühreier machen; so hatte sie sich durchgeschlagen, als Leo und Carver klein gewesen waren. Und dann war wundersamerweise, über Nacht, so schien es, genug Geld da gewesen, um jeden Abend ins Restaurant zu gehen und für Frühstück, Mittagessen, Imbisse und jede Dinnerparty, die Meredith zu geben beliebte, eine Köchin anzuheuern.
Aber Meredith durfte ihre Gedanken nicht so weit abschweifen lassen. Die Mahlzeit vor ihr war verlockend, wenn auch simpel. Mit ein bisschen Anleitung würde sie so etwas eines Tages doch sicher selbst zustande bringen, oder?
»Prost!«, sagte Meredith.
Dan stieß mit ihr an, und auch Connie langte nach ihrem Glas, zögerte aber, als sie merkte, dass Eiswasser darin war. Dann ergab sie sich in ihr Schicksal und stieß mit den beiden an.
»Das sieht ja lecker aus!«, sagte Dan mit der zu lauten, übertrieben munteren Stimme, mit der man Kranke anspricht.
Connie stocherte in ihrem Salat. »Iss!«, verlangte Meredith.
Meredith machte sich über ihren Hummer her. Ihr Gesicht war angenehm warm und straff von der Sonne. Sie unterhielten sich nicht, aber das fand sie nicht schlimm, denn sie waren mit Essen beschäftigt.
Irgendwann sagte Meredith: »Meine Güte, nach dem Tag auf dem Wasser habe ich richtigen Heißhunger!« Sie beäugte Connie, die gerade ein Stück Hummerfleisch abschnitt, es lange und genüsslich durch die braune Butter zog und diese dann von der Gabel auf die Tischdecke tropfen ließ.
»Iss, Connie!«, sagte sie erneut. Sie kam sich vor, als redete sie mit einer Fünfjährigen.
Dan aß gierig; wahrscheinlich versuchte er, so viel wie möglich in sich hineinzustopfen, bevor der Abend sein frühzeitiges Ende nahm. Meredith wollte unbedingt dafür sorgen, dass er nicht zum letzten Mal hier war.
»Was sollte ich denn noch unternehmen, solange ich hier auf Nantucket bin?«, fragte sie deshalb.
»Also, Sie müssen auf jeden Fall nach Great Point«, sagte Dan.
»Und wie komme ich dahin?«
»Sie brauchen einen Wagen mit Vierradantrieb – mit dem Escalade müsste es klappen – und eine Fahrgenehmigung für den Strand.«
»Sind Sie oft da?«
»Sooft es geht. Man kann da prima angeln. Und Muscheln sammeln.«
»Muscheln sammeln würde ich auch gerne mal.«
»Ich könnte Sie mitnehmen.«
»Das wäre toll«, sagte Meredith. »Meinst du nicht, Con? Muscheln sammeln mit Dan?«
Connies Kopf neigte sich nach vorn, und zuerst dachte Meredith, Connie nicke zustimmend, doch ihr Kopf sank gefährlich tief auf ihren Teller, bevor sie ihn mit einem Ruck hochriss. Für eine Sekunde kam sie wieder zu sich, aber ihre Augen waren glasig, und sie hatte, wie Meredith bemerkte, Salatdressing im Haar. Okay, sie hasste es, eine Spaßbremse zu sein, doch jetzt würde sie das Spiel abpfeifen.
Sie warf Dan einen Blick zu, und er nickte. Er hievte Connie von ihrem Stuhl, und gemeinsam brachten sie sie in ihr Schlafzimmer. Connie seufzte, als sie auf die Matratze traf. Dan zog sich zurück, Meredith dagegen blieb, um Connie zuzudecken.
Bis sie unten war, stand Dan schon an der Haustür.
»Wollen Sie nicht noch aufessen?«, fragte Meredith.
»Ich gehe lieber«, sagte er. »Es war ein langer
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