Inselkönig
mit seiner Argumentation jeder Antwort
beraubt.
»Es gibt einen weiteren Anhaltspunkt«, fuhr Christoph
fort. »Der Übergang zur Vogelkoje ist hochklappbar. Dadurch wird Unbefugten der
Zugang verwehrt.«
»Aha!« Alle sahen Große Jäger an. »Das Stichwort ist unbefugt .«
»Genau. Soweit ich es erkennen konnte, gab es keine
Gewaltanwendungen am einfachen Vorhängeschloss, mit dem der Steg gesichert
wird. Es muss jemand dort gewesen sein, der über einen Schlüssel für den Zugang
verfügte. Kannst du das klären?« Christoph sah Mommsen an. Der Kommissar
nickte.
»Und wenn irgendjemand zufällig vergessen hat, den
Steg wieder hochzuschließen? Dann hätte der Täter freien Zugang zur Vogelkoje
gehabt, und wir sind in einer zu engen Ermittlungsspur«, gab Große Jäger zu
bedenken.
»Das wären sehr viele Zufälle«, erwiderte Christoph.
»Der Täter müsste Nommensen zufällig dorthin gelockt haben. Ebenso zufällig
findet er den offenen Steg.« Christoph schüttelte den Kopf. »Daran mag ich
nicht glauben. Schon gar nicht bei diesem Wetter.« Wie zur Bestätigung fuhr
eine neue Sturmbö heulend um das Gebäude und rüttelte an den Fenstern.
»Hmh«, knurrte Große Jäger und hielt Thomsen seinen
leeren Kaffeebecher hin. Der Föhrer Hauptkommissar verstand die Geste und
schenkte allen nach.
»Wir haben davon Kenntnis erhalten, dass Frederiksen
früher selbstständig war. Es gibt Hinweise darauf, dass Nommensen daran
mitgewirkt haben könnte, dass Frederiksen Insolvenz anmelden musste. Warum hat
uns das keiner gesagt?«, wandte sich Christoph an Hauptkommissar Thomsen.
Der hielt mitten in der Bewegung inne. »Was hat das
mit dem Verschwinden des Inselkönigs zu tun?«, fragte er. In seiner Stimme
schwang deutlich die Verärgerung über diese Frage mit.
»Wir sprechen nicht über das Verschwinden, sondern die
Ermordung. Der ›King of the Island‹ ist tot. Verstehst du den kleinen
Unterschied?«
»Wilderich«, mahnte Christoph Große Jäger, der zu
viele Aggressionen in seine Antwort an Thomsen hineingelegt hatte.
Der Hauptkommissar ignorierte Große Jägers Vorwurf und
antwortete Christoph: »Solche Fälle kommen nicht oft bei uns vor. Der letzte
Mord liegt schon Jahre zurück. Da hat man ein totes Mädchen in den Dünen
gefunden. Was sollen die geschäftlichen Probleme Frederiksens mit Nommensens
Tod zu tun haben?«
»Immerhin hat Frederiksen ihn gefunden. Und außerdem
suchen wir den mysteriösen Koffer, der verschwunden ist, seit Frederiksen ihn
von der Vogelkoje abgeholt hat. Und wenn Nommensen tatsächlich an der Insolvenz
von Frederiksen Schuld hat oder zumindest eine Teilschuld, dann hätten wir doch
ein Mordmotiv.«
Thomsen kratzte sich verlegen den Stirnansatz. »Da
könnte etwas Wahres dran sein. Aber hätte uns Frederiksen dann alarmiert, dass
er den Toten gefunden habe? Für so intelligent halte ich ihn nicht. Ich glaube,
der Alkohol hat auch dazu beigetragen, dass Frederiksen keine solchen logischen
Denkprozesse vollziehen kann. Vergessen Sie nicht, dass der Mann Maurer ist. Er
war sicher ein tüchtiger Handwerker, aber kein Stratege. Wenn die Situation
umgekehrt wäre, also Frederiksen das Opfer und Nommensen hätte ihn gefunden …«
Thomsen unterbrach seine Ausführungen für einen langen Herzschlag. »Ja«, nickte
er, »dann wäre ich auch auf die Idee gekommen, dass ein kluger Kopf um die Ecke
gedacht hat. Aber so? Außerdem hat Frederiksen nichts davon, dass Nommensen tot
ist. Seine Firma ist er los. Immerhin hat ihm Nommensen sporadisch immer noch
ein paar Brosamen zukommen lassen, indem er ihn mit kleinen Aufträgen
beschäftigte.«
»Gibt es sonst noch etwas, was du uns verschweigst?«,
fragte Große Jäger.
»Wie kommst du darauf?«, erwiderte Thomsen sichtlich
verärgert.
»Warum musste Frederiksen Insolvenz anmelden?« Christoph
hatte betont ruhig gesprochen. Er wollte nicht, dass es innerhalb der Polizei
zu einer Eskalation kam.
»Ich weiß von vielem, was auf Föhr geschieht, aber
nicht alles. Es tut mir leid, aber da bin ich überfragt. Und auf die
kursierenden Gerüchte sollte man nichts geben.«
»Im Unterschied zu ihm«, dabei zeigte Große Jäger auf
Christoph, »der auch auf einer Insel wohnt, lebe ich in einer pulsierenden
Metropole.«
»In Husum«, warf Christoph lachend ein.
Der Oberkommissar schenkte ihm keine Beachtung. »Da
hört man natürlich reinweg gar nichts von solchen Dingen. Aber auf Föhr bleibt
doch nichts geheim.«
»Das sind Vorurteile, die
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