Inselkönig
ist er
gut gefahren«, übernahm die Mutter wieder die Antworten.
»Hat Ihr Schwiegersohn einen Überblick über die
laufenden Geschäfte?«
»Das bezweifele ich.«
»Aber Mama. Wenn man Bengt endlich eine Chance gibt,
seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, wirst du sehen, was er kann.«
»Wie ist die wirtschaftliche Situation? Es wäre nicht
das erste Mal, dass ein einstmals prosperierendes Unternehmen in schwieriges
Fahrwasser gerät. Es könnte die Folge der allgemeinen Wirtschaftskrise sein«,
wechselte Christoph das Thema.
»Davon haben wir nichts gemerkt.« Telse Nommensens
Antwort kam schroff herüber. »Wir leiden schon seit Langem keine Not.«
Christoph suchte im Mienenspiel der Tochter nach einer
Bestätigung. Bente Frederiksen schlug die Augen nieder. »Meinem Vater ging es
wirklich nicht schlecht«, flüsterte sie fast.
Bevor Christoph weiterfragen konnte, mischte sich
Große Jäger ein. Auch er hatte die Zwischentöne nicht überhört. »Ihr Vater hat
keine Not gelitten. Was ist mit den anderen Familienmitgliedern?« Die beiden
Beamten sahen Telse Nommensen an.
»Ich hatte unbeschränkten Zugang zum privaten Konto.
Da hat es nie Probleme gegeben.«
»Und Sie?« Große Jäger hatte sich zur Tochter
umgedreht.
Bevor Bente Frederiksen antworten konnte, erklärte
ihre Mutter: »Niemand in der Familie hat gehungert. Es war immer etwas für alle
da.«
»Gibt es Lebensversicherungen?«
Die Mutter wiederholte die Frage tonlos. Man konnte es
an ihren Lippen ablesen. »Ich weiß es nicht. Das alles werden wir in den
nächsten Tagen sichten müssen.« Sie schüttelte sich, als hätte sie ein
Kälteschauer durchfahren. »Ich möchte jetzt allein sein«, sagte sie mit
Bestimmtheit.
»Wir haben noch eine letzte Frage.« Christoph hatte
sich leicht vorgebeugt. »Gibt es ein Testament?«
»Warum?« Telse Nommensen reagierte mit Überraschung
auf die Frage. »Thies konnte sich nicht vorstellen, dass er irgendwann einmal
nicht mehr sein würde. Weshalb sollte er sein Erbe verteilen, wo er sich für
unsterblich hielt?«
Bente Frederiksen war aufgestanden. »Ich werde Sie zur
Tür bringen«, sagte sie.
Christoph und Große Jäger erhoben sich ebenfalls. Sie
waren schon im Aufbruch begriffen, als Christoph sich noch einmal umdrehte.
»Frau Nommensen, da wäre noch etwas. Sie haben Ihren
Mann gestern Mittag als vermisst gemeldet. Inzwischen wissen wir, dass er
gestern Abend noch telefoniert hat. Das haben uns mehrere Zeugen unabhängig
voneinander bestätigt. Weshalb waren Sie so sicher, dass ihm etwas zugestoßen
sein könnte?«
»Es war mein Bauchgefühl«, antwortete sie mit fester
Stimme. »Nach einer so langen Zeit, die wir gemeinsam verbracht haben, ahnen
Sie es als Frau, dass etwas nicht stimmt.«
»Ihr Mann hat die gemeinsame Wohnung nach dem
Frühstück verlassen?« Bisher hatten sie noch keine Aussage dazu, wo sich Thies
Nommensen vor seinem Tod aufgehalten hatte.
Telse Nommensen nickte.
»Wo war er? Hat er Ihnen gegenüber etwas von seinem
geplanten Tagesablauf gesagt? Kannten Sie seine Termine?«
»Das habe ich nie gewusst. Ich muss aber gestehen,
dass ich mich dafür schon seit sehr langer Zeit nicht mehr interessiert habe.«
»Finden Sie das nicht außergewöhnlich?«
»Ach, denken Sie doch, was Sie wollen. Und wenn Sie
mich jetzt bitte entschuldigen würden.«
VIER
»Hier herrschen merkwürdige Verhältnisse auf Föhr«,
schimpfte Große Jäger, als sie wieder im Auto saßen. »Ich habe den Eindruck,
jeder ist bemüht, uns etwas zu verschweigen. Wohin wir auch kommen, beantwortet
man unsere Fragen. Aber nur das, was wir zuvor formuliert haben. Niemand ist
bereit, von sich etwas zu erzählen. Und wenn wir wirklich einmal einen
Ansatzpunkt haben, wie zum Beispiel die Sache mit der Insolvenz von
Frederiksen, dann gibt unser Gesprächspartner vor, nichts zu wissen. Weshalb
hat uns niemand erzählt, dass Frederiksen der Schwiegervater von Nommensens
einziger Tochter ist? Das ist ein eigenartiger Zufall, dass ausgerechnet der
den Schwiegervater seines Sohnes tot auffindet.«
»Wenn Nommensen und Frederiksen miteinander verwandt
waren, ist es verständlich, dass der Inselkönig Frederiksen gelegentlich mit
Handlangerdiensten beschäftigt hat, wie zum Beispiel mit dem Abholen des
Koffers.«
»Von dem wir immer noch keine Spur haben«, fiel Große
Jäger Christoph ins Wort.
»Wir müssen etwas über die Insolvenz in Erfahrung
bringen. Hat Nommensen daran mitgewirkt? Oder schieben die
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