Inselkönig
es den Frederiksens nicht wehtut, dass ihr Sohn
daran nicht teilhaben kann?«, fragte Große Jäger.
»Es gibt keinen Grund, es dem Kind zu versagen. Soweit
ich sehen konnte, ist der kleine Oluf in seiner Beweglichkeit nicht
beeinträchtigt. Zumindest nicht wesentlich«, fügte er an.
Sie standen vor der Haustür und warteten darauf, dass
ihnen geöffnet wurde. Aus dem Haus drang durch die geschlossenen Fenster das
Dröhnen eines Staubsaugers.
Große Jäger probierte es erneut und ließ seinen Daumen
einen Moment länger auf dem Klingelknopf. Sie hörten, wie der Staubsauger
abgeschaltet wurde. Kurz darauf ertönte der Summer.
Bente Frederiksen empfing sie an der Wohnungstür.
»Mein Mann ist nicht da«, sagte sie zur Begrüßung. »Er müsste im Büro sein.«
»Moin. Wir wollen zu Ihnen. Haben Sie einen Augenblick
Zeit?«
Sie sah sich suchend im Treppenhaus um, zumindest
schien es so, als ob sie den Blicken der beiden Beamten auswich. »Ja – nein.
Ich weiß nicht. Eigentlich nicht.«
»Es dauert nicht lange. Wir müssten Sie sonst auf die
Polizeidienststelle bitten.«
Bente Frederiksen faltete ihre Hände zusammen,
verhakte die Finger ineinander und sah sich um, als würde sie von irgendwoher
Unterstützung erwarten. »Es geht nicht. Ich muss dringend was im Haushalt tun.«
»Können wir kurz in die Wohnung kommen? Es spricht
sich schlecht im Treppenhaus.« Christoph versuchte, die junge Frau mit ruhiger
Stimme zu überzeugen.
»Sagen Sie doch hier, was los ist. Wenn es nicht lange
dauert …«, sagte sie mit einem weinerlichen Anflug in der Stimme.
»Wären Sie bereit, eine freiwillige DNA -Probe von sich und Ihrem Sohn abzugeben?«
»Eine was? Sie meinen, solche … Wo man mit untersuchen
kann und so?«
»Ja. Es geht schnell und ist völlig schmerzlos. Wir
benötigen nur einen kleinen Abstrich von der Innenseite Ihres Gaumens. Und von
Ihrem Sohn.«
»Aber warum denn?«
Christoph überlegte einen Moment, ob er der jungen
Frau von dem Verdacht der Polizei, sie könnte das Opfer einer Vergewaltigung
durch ihren Vater gewesen sein, erzählen sollte. Er entschloss sich, die
ohnehin sehr nervös wirkende Frau nicht weiter aufzuregen. »Bei Mordermittlungen
geht die Polizei vielen Spuren nach. Wir suchen nicht nur nach dem Täter,
sondern auch nach dem Motiv. Warum wurde die Straftat verübt? Auch der Grund
für den Mord kann uns zum Täter führen. Deshalb nutzen wir alle Möglichkeiten,
auch die der modernen Technik und Wissenschaft.« Christoph war sich sicher,
dass Bente Frederiksen ihn nicht verstanden hatte. Er wollte sie nicht belügen,
suchte aber nach Worten, um den wahren Grund nicht offen aussprechen zu müssen.
Nommensens Tochter nagte an ihrer Unterlippe. Sie
schien dies öfter zu tun. Deutlich war die blutige Stelle zu erkennen. »Ich
muss erst mit meinem Mann darüber sprechen«, entschied sie schließlich.
»Könnten Sie ihn anrufen? Wir würden keine Zeit
verlieren.«
»Das darf ich nicht. Bengt mag es nicht, wenn er bei
der Arbeit gestört wird. Kommen Sie morgen wieder. Oder besser – übermorgen.«
»So viel Zeit haben wir nicht.«
»Trotzdem«, blieb sie hartnäckig, drehte sich um und
schloss die Tür, ohne den beiden Beamten weitere Beachtung zu schenken.
»Das war nicht erfolgreich«, sagte Große Jäger mit
Bitternis. »Jetzt haben wir immer noch keine Bestätigung, ob unsere These
zutrifft. Und mit so schwachen Argumenten wie unserem Bauchgefühl bekommen wir
auch keine Richter überzeugt, eine DNA -Analyse
anzuordnen. In schlechten Krimis schleicht sich einer der Superdetektive unter
einem Vorwand ins Bad, um sich heimlich eine DNA -Probe
zu beschaffen. Und wir stehen als Deppen da.«
»Dann werden wir andere Wege beschreiten müssen«,
versuchte Christoph ihn aufzumuntern. »Wir werden zunächst Reimer Matzen
aufsuchen, den sogenannten Todfeind unseres Mordopfers.«
»Es gab hier ein Flurbereinigungsprogramm. Das hat das
Landschaftsbild Föhrs wesentlich verändert«, hatte ihnen die freundliche
Pensionswirtin nach dem Frühstück erzählt. »Die Bauernhöfe wurden aus den
Dorfkernen heraus in die Feldmark verlegt. Sie sind dort unter der Bezeichnung
Aussiedlerhof neu errichtet worden und tragen eine fortlaufende Nummer. Da sie
zum Teil sehr abseits liegen, sind an der Straße Hinweisschilder mit den
Nummern angebracht.« Die Frau hatte ihnen auch die Nummer des Matzen’schen
Anwesens genannt und auf der Karte die Lage gezeigt.
»Der Hof liegt nur einen Steinwurf
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