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Inselkönig

Inselkönig

Titel: Inselkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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vom Tatort
entfernt«, sagte Große Jäger, als sie von Boldixum in die Straße abbogen, die
zur Vogelkoje führte. Auf der Fahrbahn lag immer noch Schnee, aber der Weg war
frei geräumt und konnte befahren werden. »Auch wenn es gestern hektisch wirkte,
was dieser Thönnissen dort angestellt hat, offenbar hat er seine Leute im
Griff.«
    »Der Erfolg hat viele Väter. Ich bin mir sicher, dass
auch die Gemeinde, die Polizei und viele andere fleißige Helfer daran
mitgewirkt haben«, erwiderte Christoph und kniff die Augen ein wenig zusammen.
    Vom strahlend blauen Himmel stach die Sonne und wurde
von der geschlossenen Schneedecke reflektiert. Das gleißende Weiß irritierte
nicht nur beim Autofahren. Es war eine märchenhafte Landschaft, die jeden
Postkartenfotografen ins Verzücken versetzt hätte.
    Nach etwas mehr als zwei Kilometern bogen sie links
ab. Christoph zeigte durch die Windschutzscheibe nach vorn. »Da hat man
Nommensen gefunden, bei der Baumgruppe. Möchtest du es sehen?«
    »Nö«, antwortete der Oberkommissar knapp. »Du hast
dich gründlich umgesehen, und alles, was du analysiert und erzählt hast, habe
ich verstanden.«
    Vorsichtig lenkte Große Jäger den Mercedes über die
schneeglatte Straße. »Im Sommer sieht es hier nicht anders aus. Statt Weiß
siehst du dann allerdings Grün.«
    »Das war aber sehr vereinfacht«, hielt ihm Christoph
entgegen.
    Sie kamen an eine Kreuzung, von der zwei schmale Wege
abgingen. Ein Schild zeigte an, dass Matzens Hof rechts in der Feldmark lag.
Auch dieser schmale Pfad war geräumt.
    »Möchtest du so einsam wohnen?«, fragte Große Jäger.
    »Ich glaube, die Menschen mögen das und können sich
nicht vorstellen, beim Blick aus dem Fenster in die Stube ihres Nachbarn zu
blicken. Hier kannst du ungestört deine Opernarien aufdrehen, und niemand
klopft an die Zimmerwand und sagt, du sollst Rücksicht nehmen.«
    »Darum wohne ich nicht hier. Ich höre keine Opern.«
    In der Ferne sahen sie ein entgegenkommendes Fahrzeug,
das eine Schneewolke hinter sich herzog. »Der hat es aber eilig.«
    »Da ist jemand genauso schnell unterwegs wie du
normalerweise«, spielte Christoph auf den rasanten Fahrstil des Oberkommissars
an.
    Das Auto, ein großer Geländewagen, machte keine
Anstalten auszuweichen. Es hielt direkt auf sie zu. »Nun bin ich aber
gespannt«, sagte Große Jäger und blieb in der Mitte des Weges. Schließlich hielt
er an. Der Geländewagen schien mit unverminderter Geschwindigkeit zu fahren,
verringerte schließlich aber doch das Tempo und schlitterte auf den Mercedes
zu, bis er zwei Meter davor zum Stehen kam. Dann hupte die Fahrerin, die sich
hinter der Frontscheibe abzeichnete, und machte mit ihren Armen eine
Handbewegung, die eindeutig als »Weg da« zu erkennen war.
    Große Jäger legte seine Arme auf das Lenkrad, beugte
sich vor und stützte sein Kinn darauf ab. Seelenruhig wartete er das weitere
Geschehen ab. Erneut hupte die Fahrerin. Jetzt im Stakkato.
    »Du unterschätzt die stoische Ruhe eines Westfalen«,
knurrte der Oberkommissar und wartete. Er amüsierte sich sichtlich über die
wilden Gesten, die ihr Gegenüber hinter dem Steuer vollführte. Schließlich
stieg die Frau aus. Sie war hochgewachsen, hatte eine bis kurz über das Gesäß
reichende Jacke mit Pelzbesatz an und kam wutentbrannt auf das Behördenfahrzeug
zu. Dabei wippten ihre schulterlangen dunklen Haare auf und ab. Große Jäger
ließ die Seitenscheibe herab.
    »Machen Sie zu, dass Sie ausweichen«, schrie sie
zornig.
    »Ich?«, tat der Oberkommissar erstaunt.
    »Wer sonst.«
    »Sie.«
    Die Frau schien nach Luft zu schnappen wie ein Fisch
auf dem Trockenen.
    »Das ist unsere Straße!«, keifte sie schließlich
empört.
    »Irrtum. Meine.« Große Jäger ließ sich nicht aus der
Ruhe bringen.
    »Wie kommen Sie drauf?«
    »Ich habe sie bezahlt. Mit meinen Steuergeldern.
Außerdem fahren Sie einen Geländewagen. Ich nicht. Nun zeigen Sie mal, was Sie
draufhaben, wenn Sie in den Schnee fahren. Ich komme da nicht wieder heraus.«
    »Ich werde die Polizei rufen. Oder meinen Mann.«
    »Sind Sie Frau Matzen? Dann würde es sich gut treffen.
Zu dem wollen wir. Und das mit dem Herbeiholen der Polizei – das können Sie
sich sparen. Die ist besser als ihr Ruf und macht sogar Hausbesuche.«
    »Was soll das heißen?«
    Große Jäger kramte in seiner Tasche, und nach zwei
vergeblichen Anläufen fand er seinen Dienstausweis. Er hielt ihn der Frau
entgegen. »Wollen Sie auf der Stelle ein Strafmandat?

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