Inselkönig
Sorge trug, dass das Vorhaben auf halbem
Weg scheiterte. Der Baustopp kostet Matzen viel Geld. Er hat Kredite
aufgenommen, die er nun bedienen muss, ohne auf der anderen Seite aus seinen
Bauruinen Erträge zu erzielen. In solch einem Fall wird jede Bank vorsichtig
und überlegt, ob sie frisches Geld hinterherwirft. So muss Matzen seine
ehrgeizigen Pläne zum Ausbau des Hofes auf unbestimmte Zeit zurückstellen.«
»Das ist eine gute Idee, Harm. Haben wir Informationen
über Matzens Finanzen?«
»Nein«, gestand Mommsen, »noch nicht.«
»Jetzt zeigt sich, wie abhängig wir von der Technik
sind«, sagte Große Jäger, nachdem Christoph das Telefonat beendet hatte. »Wir
kennen den genauen Todeszeitpunkt nicht. Das wäre aber wichtig, um den Zeitplan
richtig sortieren zu können. Um halb fünf hat Nommensen noch gelebt, sonst
hätte er nicht mit Frau Hoogdaalen und dem alten Frederiksen telefonieren
können. Aber wann ist er ermordet worden?«
»Das herauszufinden ist schwierig«, gab Christoph zu
bedenken. »Vielleicht können die Rechtsmediziner bestimmen, wann der Tod
eingetreten ist. Viel wichtiger ist aber, wann Nommensen an den Baum gefesselt
wurde. Für diese Zeit müssen wir alle Verdächtigen nach ihrem Alibi befragen.«
»Das ist die halbe Insel«, stöhnte Große Jäger.
»Dann sei froh, dass es Föhr ist und nicht
Großbritannien. Das wären erheblich mehr potenzielle Täter.«
»Andererseits wären wir dann englische Kriminalisten«,
erwiderte Große Jäger. »Die finden weltweit mehr Beachtung als wir, obwohl«, und
dabei klopfte er sich mit der Faust gegen die Brust, »wir tüchtiger sind.«
»Darum werden wir jetzt eine andere Spur verfolgen und
versuchen herauszufinden, wie der Koffer von der Vogelkoje ins Büro gekommen
ist.«
»Den letzten Teil des Weges, den der Koffer genommen
hat, kennen wir. Angeblich hat der junge Frederiksen den Koffer in Thies
Nommensens Büro gefunden und ihn mit zu sich nach Hause genommen. Aber welchen
Weg hat der Koffer vom Radlader bis ins Büro genommen?«
Sie fuhren zum Betriebsgelände, dessen Parkplatz fast
vorbildlich vom Schnee geräumt war. Heute standen mehr Fahrzeuge vor dem Haus.
Eine Angestellte öffnete ihnen und führte sie in das große Büro, von dem aus
Thönnissen gestern den Kampf gegen die Schneemassen organisiert hatte.
Der Disponent saß in seiner Ecke und wirkte heute
wesentlich entspannter als am Vortag. »Moin«, grüßte er die beiden Polizisten.
»Es geht um den Aktenkoffer«, sagte Christoph.
»Frederiksen senior hat ihn in Thies Nommensens Auftrag von der Vogelkoje
geholt und im Radlader liegen lassen. Warum hat Frederiksen den Radlader vor
Ihrer Tür abgestellt?«
»Ich sagte schon, ich habe keine Ahnung, weshalb der
Schwachkopf das gemacht hat.«
»Haben Sie ihm das aufgetragen?«
»Nee. Angeblich hat Thies ihm den Auftrag erteilt, den
blöden Koffer zu holen.«
»Hätte es nicht mehr Sinn gemacht, den Radlader auf
dem Betriebsgelände abzustellen anstatt vor Ihrer Haustür?«
»Das sag ich doch die ganze Zeit.«
»Wer hat den Radlader vor Ihrer Haustür abgeholt?«
»August Hinrichsen. Und bevor Sie das fragen: Ich weiß
nicht, wer ihm das gesagt hat. Von mir hat er das nicht.«
Thönnissen schien stets von einer inneren Unruhe
getrieben zu sein. Obwohl er heute nicht durch das ständige Klingeln des
Telefons abgelenkt wurde, wirkten Gestik und Sprechweise hektisch.
»Haben Sie den Koffer gesehen?«, fragte Christoph.
»Mensch, wie oft soll ich es wiederholen. Nein! Und
nochmals: Nein!«
Große Jäger zeigte in die andere Ecke des Büros, in
der gestern der junge Frederiksen gearbeitet hatte. »Wo ist er?«
»Der hat sich mit seinem Mist in Thies’ Büro
zurückgezogen.« Thönnissen wurde durch das Klingeln seines Telefons abgelenkt.
Große Jäger trat dicht an den Mann heran und sprach laut in dessen anderes Ohr,
sodass Thönnissen für einen Moment irritiert innehielt: »Wo ist Inga Matzen?«
»Krank!«, brüllte Thönnissen laut zurück, um dann in
den Hörer zu rufen: »Das galt nicht dir. Aber hier sind sie alle krank. Total
plemplem.«
»Dann wollen wir in diesem Irrenhaus nicht weiter
stören.« Große Jäger grinste Thönnissen an und trottete voraus Richtung
Nommensens Büro. Ohne anzuklopfen, riss er die Tür auf.
Bengt Frederiksen saß hinter dem Schreibtisch, in
Bergen von Papieren vertieft. Er schrak hoch, sah erstaunt die beiden Beamten
an, holte tief Luft und beschwerte sich. »Können Sie nicht
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