Inselkönig
hin und her.
»Hellberg«, stellte er sich vor und gab zunächst
Christoph, dann Große Jäger die Hand. »Darf ich bitten?« Mit ausgestreckter
Hand wies er auf einen Raum auf der gegenüberliegenden Seite. Auch das
Arbeitszimmer des Anwalts war mit dunklem Holz ausgestattet. Auf Christoph
wirkte es düster, obwohl es gut in dieses Gebäude und zum Erscheinungsbild des
Hausherrn passte.
Sicher waren die Wurmlöcher im schweren Schreibtisch
keine kunstvoll angebrachten Repliken, wie man es manchmal bei neueren Möbeln
versuchte, dachte Christoph und besah sich die Wände, die mit Regalen aus dem
gleichen dunklen Holz vollgestellt waren. Vermutlich verstand nur der Anwalt
selbst die Anordnung der Bücher, Ordner und gestapelten Aktenmappen in dem
Möbel.
»Vielen Dank, dass Sie so schnell reagiert haben«,
sagte Hellberg und legte die Fingerspitzen aneinander. »Frau Nommensen hat mich
gebeten, ihre Interessen und die ihrer Tochter wahrzunehmen.«
»Den Schwiegersohn vertreten Sie nicht?«, fragte
Christoph.
»Doch«, lächelte Hellberg nachsichtig. »Ich bin der
Anwalt der ganzen Familie. Missverstehen Sie mich bitte nicht. Frau Nommensen –
und natürlich auch ihre Tochter und deren Mann – unterstützen die Arbeit der
Polizei nach besten Kräften. Sie sind daran interessiert, dass der Mörder des
Familienvorstands schnell gefasst wird. Sind Sie sich eigentlich sicher, dass
es Mord war?«
Christoph erläuterte die Gründe, weshalb die Polizei
von Mord ausging. »Bei diesem Sachstand schließen wir eine fährlässige Tötung
ebenso aus wie den Totschlag im Affekt. Der Täter muss alles sorgfältig geplant
haben. Das ist einwandfrei Mord.«
»Hmh«, überlegte Hellberg, ohne das weiter zu
kommentieren. »Unter diesen Umständen verstehen Sie sicher, dass die Familie
jetzt Ruhe benötigt und abgeschirmt bleiben möchte. Nur die schwierigen
Witterungsverhältnisse haben bisher verhindert, dass die Angehörigen von den
Vertretern zweifelhafter Medien aufgesucht wurden. Die Art der Tatausführung
gibt zu allerlei Mutmaßungen Anlass.«
»Es freut mich, dass Sie uns zustimmen«, sagte Christoph.
»Unsere bisherigen Ermittlungen haben ein widersprüchliches Bild des Opfers
ergeben. Übereinstimmend ist nur, dass Nommensen alles andere als beliebt war.«
»Sie meinen, Herr Nommensen. So viel Respekt
sollten wir auch einem Toten erweisen«, belehrte ihn der Anwalt.
Hellberg malte in gesetzten Worten das Bild eines
strebsamen Unternehmers, der sich auch in fürsorglicher Weise um seine Familie
gekümmert hat.
»Das klingt wie ein Nachruf«, stellte Große Jäger
kritisch fest. »Da wird auch immer gelogen.«
»Ich versuche nur, Ihnen behilflich zu sein«, erklärte
der Anwalt, ohne die Ruhe zu verlieren.
»Weshalb gab es den Treuhandvertrag, mit dem Herrn
Nommensens Beteiligung an der Inning & Raub GmbH kaschiert wurde?«, fragte
Christoph. »Die Beantwortung dieser Frage wäre eine erste Hilfe.«
»Das hatte geschäftspolitische Gründe. Was hätte es
für einen Eindruck gemacht, wenn Herr Nommensen ›die Insel verkauft‹ hätte?«
»Ihrer Bemerkung entnehme ich, dass Sie Nommensens
Wirken auch kritisch gesehen haben.« Christoph hatte das »Herr« weggelassen.
Der Anwalt hatte seine Missbilligung durch ein kurzes Hochziehen der Augenbraue
kundgetan, unterließ es aber, es zu kommentieren.
»Ich bin Anwalt.«
»Warum musste Frederiksen senior Insolvenz anmelden?«
Jens Hellberg hob die Schultern in die Höhe. »Das war
nicht mein Mandat. Sie haben Verständnis dafür, dass ich zu fremden Ereignissen
nichts sagen kann. Und auch nicht möchte«, schob er betont hinterher.
»Wer wird die Nachfolge in der Geschäftsführung
übernehmen?«, fragte Christoph.
»Die Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen.«
»Das bedeutet, es hat schon Gedanken dazu gegeben?«
Christoph hatte die Zwischentöne deutlich wahrgenommen.
»Fürs Erste hat die Familie andere Fragen zu klären.
Noch ist der Vater nicht unter der Erde.«
»Der Schwiegersohn hatte aber nichts Eiligeres zu tun,
als sich über die Geschäftsunterlagen herzumachen«, warf Christoph ein.
»Dazu kann ich nichts sagen.«
»Das hören wir immer wieder.« Dem Anwalt konnte die
Ungeduld in Große Jägers Einwand nicht entgangen sein. Er ließ ihn aber
unbeachtet.
»Als Jurist wissen Sie, dass wir nach dem Motiv
forschen«, erklärte Christoph. »Unter Berücksichtigung der Mordmethode
verfolgen wir auch den Vorwurf, dass sich Thies Nommensen der
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