Inselkönig
Koffer gelegt,
um es mit nach Hause zu nehmen.«
»Und was war vorher im Koffer?«
»Nichts. Er war leer.«
»Und stand direkt neben dem Schreibtisch?«
»Ja.«
»Und wer hat ihn dort hingestellt?«
»Keine Ahnung.«
Als hätte er es nicht verstanden, wiederholte Große
Jäger den Inhalt des Gesprächs zwischen Christoph und Frederiksen.
Christoph fand dabei Gelegenheit, den immer nervöser
werdenden jungen Mann zu beobachten. Anschließend fragte er ihn, wo sein Vater
wohnte.
»Der hat eine kleine Unterkunft hier in Wyk.«
»Nennen Sie uns einfach die Adresse.«
Frederiksen zögerte, dann griff er ohne Erklärung zum
Telefon. »Hallo, Mum, ich bin’s. Bengt. Ist mein Vater bei dir?«
Er lauschte kurz in den Hörer. »Können wir ein anderes
Mal darüber reden? Ich habe gerade Besuch von der Polizei.«
Christoph fiel auf, dass er das Wort »Polizei«
besonders betonte.
Mit einem »Bis später« schloss Frederiksen das
Gespräch. »Mein Vater ist bei meiner Schwiegermutter«, erklärte er, um sich
danach demonstrativ einen Stapel mit Kontoauszügen zu greifen und darin zu
blättern.
»Wir hören voneinander«, sagte Große Jäger zum
Abschied.
SIEBEN
Langsam schien Föhr wieder zu erwachen. Die ersten
Autofahrer tasteten sich vorsichtig über die geschlossene Schneedecke, die
selbst auf den Hauptstraßen noch nicht frei gefahren war. Dick vermummte
Fußgänger schlitterten über die Gehwege, Eltern hatten Mühe, ihren im Schnee
herumtollenden Nachwuchs zu bändigen, und zweimal gab es Versuche von Kindern,
den Dienstwagen mit einem Schneeball zu bewerfen.
»Das ist bitterkalt«, stellte Große Jäger fest, als
sie das Fahrzeug vor Nommensens Anwesen verließen. »Ist dir aufgefallen, wie
der junge Frederiksen seine Schwiegermutter angesprochen hat?«
Christoph nickte. »Mum, hat er gesagt. Leute seiner
Generation sprechen die Schwiegereltern gewöhnlich mit dem Vornamen an.«
»So wandeln sich die Zeiten. Und deshalb habe ich
bisher nicht geheiratet, um der Fragestellung, wie ich meine Schwiegereltern
anreden muss, zu entgehen.«
Christoph warf Große Jäger einen spöttischen
Seitenblick zu. »Kann es sein, dass deine Mutter dir das Heiraten schlichtweg
verboten hat? Immerhin haben wir sie als energische Frau kennengelernt.«
»Oje, erinnere mich nicht daran. Wenn ich jemals ein
Gefühl von Peinlichkeit empfinden würde, dann deshalb, weil sie dir in den
Hintern gekniffen hat.«
»In einer sehr charmanten Weise. Und wenn Anna nicht
dabei gewesen wäre, lieber Wilderich, wer weiß … Im schlimmsten aller Fälle
wäre ich irgendwann dein Stiefvater geworden.«
Große Jäger fasste nach Christophs Hand und hielt sich
daran wie ein kleines Kind fest. »Ja, Papi.«
So standen die beiden vor der Tür und lachten
herzhaft, als ihnen Telse Nommensen öffnete, ohne dass sie geklingelt hatten,
und sie verwundert anstarrte.
»Moin, Frau Nommensen«, sagte Große Jäger mit
Heiterkeit in der Stimme und legte einen Zeigefinger auf die Lippen. »Sie
verraten uns doch nicht? Unser gemeinsamer Chef ist furchtbar eifersüchtig.«
Dabei zwinkerte er mit den Augen.
»Ich habe Sie erwartet«, sagte die Witwe mit fester
Stimme. »Herr Frederiksen und meine Tochter sind auch hier.«
Vorsichtig lugte der kleine Oluf um die Ecke, erkannte
Große Jäger wieder und lächelte ihm zaghaft zu.
»Hallo, mein Freund«, sagte der Oberkommissar und
streckte dem Kind die Arme entgegen.
Der kleine Junge fasste sich mit der rechten Hand an
den Mund, mit der linken ergriff er die Hand des Oberkommissars und schüttelte
sie heftig. Dann löste er die Hand, eilte zu Telse Nommensen und verbarg sich
hinter der Frau. »Oma«, sagte er dabei.
Die Witwe tätschelte ihm den Kopf. »Was bist du?«,
sagte sie mit deutlich veränderter Stimme.
»Omas kleiner Hosenmatz«, erwiderte der Junge mit
dünner Stimme. Er wirkte genauso schüchtern wie seine Mutter.
Die schlug die Augenlider nieder, als sie kurz darauf
die Polizisten begrüßte. Es schien, als würde erst ihr Sohn, der sich an sie
drängte und auf den Arm wollte, ihr Sicherheit geben. Der alte Frederiksen
knurrte die beiden Beamten mürrisch an. Er verzog bei der Begrüßung keine Miene
und stürzte demonstrativ die gelbe Flüssigkeit aus dem geschliffenen
Schnapsglas hinunter.
»Herr Hellberg hat mit mir gesprochen«, eröffnete
Telse Nommensen das Gespräch. »Er hat mir die Zweckmäßigkeit einer DNA -Analyse nahegelegt. Wir würden unter
bestimmten Umständen
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