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Inselkoller

Inselkoller

Titel: Inselkoller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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mehr verbaut werden konnte.
    Jung fuhr die von Bäumen gesäumte Einfahrt
zum Haus hinauf. Seit er das letzte Mal hier gewesen war, hatte Boll die alten hölzernen
Fensterläden neu gestrichen. Sie präsentierten sich jetzt leuchtend weiß in den
letzten Strahlen der von den heraufziehenden Wolken langsam im Schatten liegenden
Sonne. Boll saß auf dem Balkon und schien Jung schon erwartet zu haben. Er winkte
ihn ins Haus und begrüßte ihn freundlich.
    »Hallo, alter Junge. Du siehst gut aus, schlank
wie immer, aber etwas mitgenommen. Sind das schon die ersten Spuren deiner ums Leben
gekommenen mysteriösen reichen Dame, oder ärgert dich der Chef?«
    »Hallo, Klaus, schön, dich zu sehen. Ärger
gehört zum Geschäft und hört auch nur mit ihm auf, wie ich an dir sehen kann. Du
siehst ausgeruht und gesund aus«, erwiderte Jung.
    »Na ja, ich gebe zu, dass ich meinen Ruhestand
genieße. Ich segele meinen Hobie Cat, und solange ich das kann, bin ich dankbar
und zufrieden.«
    Boll hatte die gleiche Statur wie Holtgreve.
Aber ihre Ausstrahlung und ihr Charakter hätten unterschiedlicher nicht sein können.
Boll war ein Bonvivant und liebte lässige, bequeme, modische Kleidung. Er trat etwas
forsch auf und machte die Frauen gerne an. In seiner Garage stand ein uralter Porsche
Carrera aus den 60er-Jahren, den er nicht mehr bewegte, aber hütete wie einen Goldschatz.
Auf den ersten Blick hätte man ihn für oberflächlich halten können. Jung glaubte
nicht daran. Sein Kollege musste einen Blick auf das Leben geworfen haben, der ihn
zutiefst erschreckt hatte. Bolls Hinwendung zu den angenehmen, käuflichen Seiten
des Lebens war etwas forciert, so, als gäbe es dessen Kehrseite nicht. Er kannte
sie, wollte aber nicht davon reden und nichts damit zu tun haben. Aber Jung war
sich sicher, dass diese Auseinandersetzung irgendwann in der Zukunft nicht mehr
zu verhindern sein würde.
    »Wo wollen wir sitzen, draußen oder drinnen?«,
fragte Boll.
    »Drinnen. Ich glaube, wir werden heute ein
Gewitter bekommen«, entschied Jung die Frage. Sie gingen ins Wohnzimmer und nahmen
auf den bequemen Sofas Platz.
    »Ich hab dir ja schon am Telefon einen guten
Wein versprochen«, eröffnete Boll das Gespräch. »Du hast sicherlich nichts dagegen,
wenn ich Oliven, Jamón Ibérico und etwas Weißbrot dazustelle. Den Schinken hab ich
übrigens von meiner letzten Reise aus Cádiz mitgebracht. Unsere Schinkenbar gegenüber
des Playa Victoria gibt’s leider nicht mehr, du erinnerst dich doch daran?«
    Boll und Jung hatten vor Jahren zusammen an
einem Workshop der Interpol in Cádiz teilgenommen. Sie wohnten damals im Hotel Playa
Victoria und hatten sich abends in der Gegend zwischen der Ave Cayetano del Toro
und dem Paseo Maritimo herumgetrieben. Sie aßen Tapas und tranken Rotwein. Dabei
hatten sie eine kleine Schinkenbar entdeckt und sich einen Jamón Ibérico de Bellota
mit nach Hause genommen. Das exzellente Aroma hatte es ihnen angetan.
    »Hoffentlich hast du daran gedacht, den Schinken
vom rechten Hinterbein zu verlangen. Das ist der beste von den vier Flunken«, scherzte
Jung. »Woher hast du den denn?«
    »Diesmal hat es nur für das Corte Inglés gereicht.
Aber die Schinkenabteilung ist da ungeheuer. Du wirst sehen.«
    Boll verschwand in der Küche und schaffte heran,
was er versprochen hatte.
    »Lass uns zuerst einen Schluck von dem Riesling
nehmen. Als ich in der brütenden Hitze auf dem Balkon saß, hab ich mich schon auf
diesen Augenblick gefreut. Nochmals herzlich willkommen. Ich hoffe, ich kann dir
helfen«, prostete Boll ihm zu.
    Der kühle Wein aus dem beschlagenen Glas entfaltete
an Jungs Gaumen ein unvergleichliches Aroma. Es erinnerte ihn an die angenehmeren
Momente seines Lebens, und er fühlte sich zunehmend wohler. Der Schinken schmeckte,
wie er ihn in Erinnerung behalten hatte. Zusammen mit den Oliven und einem Stück
trockenem Brot ergab er einen Gaumenschmaus, der bei der schwülwarmen Atmosphäre
des ausklingenden Sommertages nicht besser hätte ausfallen können.
    »Wenn du so weitermachst, hast du mich öfter
bei dir zu Gast«, lobte Jung.
    »Die nächsten vier Wochen musst du auf mich
als Gastgeber verzichten, wie ich dir ja schon am Telefon gesagt habe. Aber danach
vielleicht. Ich will aber auch wissen, wie es mit deiner mysteriösen reichen Dame
weitergegangen ist. Spann mich nicht länger auf die Folter und leg los.«
    Die mysteriöse reiche Dame schien Boll heftig
zu interessieren, und Jung freute sich

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