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Inselkoller

Inselkoller

Titel: Inselkoller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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etwas kompliziert
und hat mit dem Tod von Frau Mendel gar nichts zu tun. Glauben Sie mir.« Seine Stimme
bekam einen leicht verstockten, wimmernden Unterton.
    »Was hat mit ihrem Tod nichts zu tun? Sie können
es mir ruhig erzählen. Ich werde als Polizist über den gegenwärtigen Fall hinaus
nicht tätig werden und darf über das schweigen, was mir zu Ohren kommt.« Jung blieb
hartnäckig.
    »Können Sie mir Vertraulichkeit zusichern?«,
fragte Clausen eindringlich.
    »Wenn es nicht den Fall betrifft, sicher«,
versuchte Jung ihn zu beruhigen. Er merkte, dass Clausens Widerstand an seinem Dienstgrad
und den drohenden Konsequenzen schon längst zerbröselt war.
    »Also, gut. Macht ja nun auch nichts mehr.
Ich hab ihr mal eine Gartenhilfe geschickt, einen farbigen Asylanten, der sich etwas
Geld bei unserem Hausservice verdiente. Dem hat sie ihr privates Gäste-Apartment
zur Verfügung gestellt, damit er auf der Insel übernachten konnte.«
    »Das ist ja nicht verboten, oder?«, warf Jung
ein.
    »Ja, so war sie eben. Nein, nicht unbedingt.
Er hatte gut gearbeitet. Sie wollte ihn ein, zwei Tage länger haben, ohne dass er
zwischen Festland und Insel hin- und hermusste.«
    »Das war nett von ihr«, bemerkte Jung.
    »Eben. Aber eigentlich war es doch verboten.
Er durfte nicht für Geld arbeiten, und er musste sich jeden Abend in der Unterkunft
auf dem Festland melden. Ich hab das mit meinen Beziehungen trotzdem hingekriegt.
Ich war aber dazu verdonnert, dichtzuhalten und mit keinem darüber zu reden.«
    »Haben Sie meinen Kollegen irgendetwas davon
erzählt?«, fragte Jung gespannt nach.
    »Nein, natürlich nicht. Wie gesagt, ich hätte
ja meine Beziehung in Schwierigkeiten gebracht. Das wollte ich nicht. Er war ja
schon längst wieder in Afrika, als das mit der Chefin passierte. Er kann also gar
nichts damit zu tun haben.«
    »Wann genau war das?« Jungs Tonfall war jetzt
betont nüchtern und sachlich.
    »Das letzte Mal arbeitete er bei ihr, lassen
Sie mich überlegen, kurz vor seiner Rückkehr nach Afrika. Dann müssten noch ein,
zwei Wochen bis zu ihrem Tod verstrichen sein.«
    »Wie hieß er?«
    »Jussuf Barre. Er war einer von den Besseren.
Sein Vater oder Onkel war mal ein hohes Tier in Afrika, Präsident oder so ähnlich.
Das erzählte mir mein Bekannter. So hat er sich auch benommen: sauber und korrekt.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Nach seiner Abreise habe ich im Apartment
aufgeräumt. Alles tipptopp in Ordnung. Hat nichts mitgehen lassen.«
    »Hatten Sie denn Grund zu dieser Annahme?«
    »Nein, nein, überhaupt nicht. Aber vorsorglich
hatte ich das Telefon an mich genommen. Er sollte nicht endlos auf unsere Kosten
nach Afrika telefonieren. Wäre aber gar nicht nötig gewesen.«
    »Und warum nicht?«
    »Weil er sogar die angebrochene Schachtel Mon
Chéri und die Vitaminpillen stehen gelassen hat, die ihm die Chefin überlassen hatte.
So war die Chefin eben. Ich hab sie ihr zurückgebracht. Sie war ganz gerührt von
so viel Bescheidenheit.«
    Jung war elektrisiert von der Tatsache, etwas
gehört zu haben, was seinen Kollegen noch nicht zu Ohren gekommen war. Er hielt
sich aber weiter betont zurück.
    »Gut, Herr Clausen, alles nicht so schlimm.
Braucht Sie auch nicht weiter zu beunruhigen. Ist schon lange her und wird keine
weiteren Probleme machen, nehme ich mal an.«
    »Das wäre mir auch sehr, sehr unangenehm, Herr
Kriminalrat. Danke für Ihr Verständnis.«
    »Vielleicht können Sie sich ja revanchieren.
Ich muss einige Kleinigkeiten auf der Insel klären. Wenn ich dabei Hilfe brauche,
darf ich mich an Sie wenden?«
    »Aber selbstverständlich doch, ich kenn mich
hier aus wie kein Zweiter und würde mich freuen.«
    Jung ließ es dabei bewenden. Dann bedankte
er sich bei Clausen für seine Offenheit und Unterstützung.
    »Noch eine allerletzte Frage.« Jung wandte
sich erneut an ihn und sah ihn an.
    »Organisieren Sie auch bei der neuen Chefin
den Hausservice?«
    »Nein. Die regelt das mit ihrem Mann allein.
Ich bin da schon lange nicht mehr gewesen.«
    »Aha, gut. Das ist alles, danke nochmals.«
    Als er Clausen zum Abschied die Hand schüttelte,
gab er wieder ein Stück von sich ab. Diesmal hatte er das Gefühl, als könne er sich
allmählich an Clausens Welt gewöhnen. Irgendwann würde sich auch der letzte Rest
von bedrohlicher Fremdheit verflüchtigt haben.

Die Schwiegertochter
     
    Draußen auf der Strandallee sah Jung auf seine Uhr. Er entschied sich
für einen kurzen Spaziergang. Anschließend

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