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Inselkoller

Inselkoller

Titel: Inselkoller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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wollte er zu Mittag essen. Am frühen
Nachmittag würde er hierher zurückkehren, diesmal, um Karin Mendel, die Schwiegertochter
der Toten, und Jürgen Mendel, deren Mann, zu treffen.
    Er lenkte seine Schritte auf die Strandpromenade
zu den kreischenden Möwen. Eine mächtige Brandung erfüllte die Luft, und ein starker
Westwind trieb ihm Tränen in die Augen. Am Strand zelebrierte eine Gruppe mittelalterlicher
Frauen Nordic Walking. Sie sahen aus, als machten sie Fastenwandern auf Sylt. Dazu
hatten sie sich in bunte Windjacken gehüllt. Die eng anliegenden Laufhosen reichten
ihnen bis über ihre dicken oder dünnen Waden. Ihre nackten Füße steckten in klobigen
Sportschuhen. Ihre breiten Gesichter waren vom Wind und durch ihr in Wallung gebrachtes
Blut gerötet und glänzten von der Richtigkeit und Wichtigkeit ihres Tuns. Ihre offenen
Münder reckten sich dem Wind entgegen und sogen die Luft ein, als enthielte sie
das ewige Leben, nach dem sie schon so lange vergeblich auf der Suche waren. Jung
löste seinen Blick vom Strand und verfiel ins Grübeln.
    Das zutage getretene Detail im Fall Mendel
versetzte ihn in Erregung. Aber seine Kollegen wussten davon nichts. Sie hatten
daher an dieser Front keine Ermittlungen aufnehmen können. Er musste Helga Bongard
– der geplatzte Termin hatte keine Rolle zu spielen – fragen, ob sie mit ihrer Freundin
über den Farbigen gesprochen hatte. Vor allem wollte er wissen, wie wichtig die
Begegnung für sie gewesen war. Schließlich hatte sie ihm ihr Gäste-Apartment überlassen.
Das tat man nicht für jeden x-beliebigen Gärtner, der nur die Hecke schneidet und
den Rasen mäht.
    Der steife Westwind verleidete ihm den Aufenthalt
am Wasser. Jung schwenkte auf einen Strandzugang in Richtung Kurzentrum ein. Die
seeseitig aufgereihten Hochbauten zermürbten die Kraft des Windes, und auf der Friedrichstraße
hatte der Wind schließlich auf eine erträglichere Stärke abgeflaut. Jung landete
in der Boysenstraße, entdeckte ein italienisches Restaurant in einem hübschen Haus
und kehrte im ›Il Ristorante‹ ein.
    Er betrat einen in warmem Gelb gehaltenen und
mit rohen Holzbohlen ausgelegten Gastraum. Dieser beherbergte ein rundes Dutzend
schlicht, aber geschmackvoll eingedeckter Tische, die allerdings wenig italienisch
aussahen. Die Wände zierten Werbeplakate. Sie stammten aus Zeiten, in denen für
Birnenbrand mit weißen Eulen, für die American Fruit Company mit aufgeschnittenen
Grapefruits und Tomaten, für die Goleta Lemon Association mit einem gaffelgetakelten
Dreimastschoner, für die Reichsbahn mit vollständig bekleideten, Ball spielenden
Strandschönheiten und für Anisetta Evangelisti mit einem lebensgroßen Schimpansen
geworben wurde. Selbst die Werbung für Pigmentan, das die natürliche Bräunung fördert
und gegen Sonnenbrand schützt, kam gänzlich ohne erotisierende Tittenschau aus.
Nur ein glatter, kalter, vor die Anrichte geklotzter Glasschrank, in dem die angemachten
Antipasti kühl gehalten wurden, störte das angenehm zurückhaltende Ambiente des
Speiseraums.
    Jung war der einzige Gast. Er bestellte sich
Petto d’anatra ai mirtilli und ein Glas Montepulciano. Die Entenbrust schmeckte
köstlich. Der Kellner war mit Turnschuhen, Jeans und Strickjacke bekleidet. Obwohl
er vornehmlich an dem lebhaften, auf Italienisch geführten Gespräch am Familienstammtisch
vor dem Eingang zur Küche interessiert war, zeichnete ihn eine unauffällige, wohltuende
Aufmerksamkeit aus. Jung glaubte zwischendurch, nicht der einzige Gast zu bleiben.
Es stellte sich aber heraus, dass die mit einem Moin, moin Eintretenden der Postzusteller
und ein Mann namens Bernhard waren. Sie wollten Giovanni sprechen. Der war abwesend,
und so ließen sie nur ihre Grüße an ihn ausrichten.
    Bevor Jung die Rechnung verlangte, ging er
auf die Toilette. Er musste in letzter Zeit häufiger als früher diese Örtlichkeit
aufsuchen. Das war lästig. Von dort aus rief er mit seinem Handy Helga Bongard an.
    »Bongard.«
    »Jung hier. Guten Tag. Haben Sie gut gefrühstückt?«,
fragte er sie und mischte einen ironischen Unterton in seine Stimme.
    »Danke für die fürsorgliche Nachfrage. Ja,
hab ich: Kaffee, Rührei, meine Lieblingsmarmelade und frische Brötchen vom Bäcker.
Ich hatte richtig Spaß inne Backen. Gut geschlafen habe ich auch. Was verschafft
mir die Ehre?«
    »Das freut mich für Sie. Für mich nicht.« Jung
behielt seinen ironischen Ton bei.
    »Ich kann Sie das nächste Mal einladen, wenn
Sie

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